Na, das ging ja mal gehörig nach hinten los. Eigentlich wollte Recep Tayyip Erdogan beim rastlosen Versuch, die Türkei zum Sultanat unter gottgleicher Führung seiner selbst umzuwandeln, nur mal zeigen, dass sein langer Arm an den Landesgrenzen nicht Halt macht, als er wegen einer recht harmlosen Satire des NDR-Magazins »extra3« den deutschen Botschafter einbestellte: Mit fast fünf Millionen Abrufen erzielte der Beitrag nach dieser peinlichen Intervention auch dank eilends eingefügter Untertitel eine Rekordreichweite und bescherte dem Format in der Woche drauf die Rekordquote von 880 000 Zuschauern.
Das war dann also der eigentliche Witz der Woche, witziger jedenfalls als die lächerliche Demutshaltung unserer Bundesregierung, die dem türkischen Staatspräsidenten über Tage hinweg nicht mit der rechtsstaatlich gebotenen Kritik an derlei undemokratischem Gebaren behelligen mochte und erst auf mediale Intervention hin Das-geht-so-aber-nicht-Floskeln absonderte. Schließlich braucht Berlin den Despoten vom Bosporus für die Flüchtlingsabwehr an der Donau.
Selten hatte politischer Humor so viele Facetten. Ohne ihn jedoch hat es faschistoider Machtmissbrauch beim Publikum weit schwerer, Aufmerksamkeit zu erzielen. Das musste die ARD beim Auftakt des NSU-Dreiteilers »Mitten im Leben« erfahren, als keine drei Millionen Menschen Christian Schwochows brillante Fiktionalisierung des neonazistischen Terrors mit Anna Maria Mühe als Beate Zschäpe auf dem zugkräftigen Mittwochssendeplatz sehen wollten. Halb so viele wie die (hoffentlich ungewollte) AfD-Wahlhilfe »Aktenzeichen XY« auf dem Nachbarkanal ZDF, in der seit Ewigkeiten der totale Überwachungsstaat propagiert wird.
Da bedarf es keiner allzu großen Fantasie, dem wichtigsten TV-Angebot dieser Woche Einschaltquoten im homöopathischen Bereich vorherzusagen. Schade eigentlich. Denn wer »Der neue Rechtsruck« auf Arte sieht, geht mit wacheren Augen durchs Land, klüger und klarer im Blick. Dabei beginnt die Themenwoche am Montag buchstäblich staubig: Mit dem dokumentarischen Essay »Broken Land« über eine Handvoll Amerikaner, die bis in den gut gefüllten Waffenschrank voll paranoiden Fremdenhasses den Grenzzaun nach Mexiko überwachen. Genau diese Art bürgerlicher Rassismus ist es, der dann zu den härteren Stoffen auf Arte führt.
Vom Blick auf Europas neue, alte Rechte (Dienstag, 20.15 Uhr) über Mo Asumangs Streifzug durch die krude Welt zeitgenössischer »Arier« (Dienstag, 22 Uhr) bis hin zum Burhan Qurbanis furiosen Fernsehfilm »Wir sind jung. Wir sind stark« (Freitag, 20.15), in dem der versuchte Pogrom von Rostock-Lichtenhagen abermals wachgerufen wird. Mit Jonas Nay als Teil einer rechtsextremen Gang, die seinerzeit nicht zur Hilfe für die Opfer, sondern zur Verschärfung des Asylrechts geführt hatte. So ein Schwerpunkt zur Primetime im Ersten, das brächte gewiss keine Quotenrekorde, aber reichlich Respekt von der richtigen Seite, liebe ARD.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1007205.klueger-und-klarer-im-blick.html