Nur Samtleben wollte nicht zahlen
Im Streit um Sachsens AfD-Kandidatenliste kann Petry nicht wegen Meineids belangt werden
Arved Immo Samtleben ist ein impulsiver Mensch. Als ein Landesparteitag der AfD ihn im April 2014 auf der Liste der Kandidaten für die sächsische Landtagswahl auf Platz 14 einsortierte und nicht auf dem angestrebten Platz 4, verließ er den Saal. Auf dem Parkplatz des Tagungshotels in Weinböhla versuchte ihm Schatzmeister Carsten Hütter noch den Vertrag in die Hand zu drücken, mit dem Bewerber sich bereit erklären sollten, der Partei ein Darlehen für den Wahlkampf zu geben. Weil es Samtleben nicht unter die ersten zehn der Liste geschafft hatte, wären für ihn zwar nur 1000 statt 3000 Euro fällig geworden. Der gekränkte Kandidat lehnte dennoch ab und brauste davon.
Glaubt man Samtleben, kostete ihn diese Weigerung das Mandat. Bei der Wahl im August errang die AfD in Sachsen zwar exakt 14 Mandate. Samtleben wäre im Landtag gewesen, hätte nicht der Landesvorstand am 17. Juni 2014 entschieden, seinen Namen von der Liste streichen zu lassen. Der verhinderte Bewerber reichte eine Wahlbeschwerde ein, mit der sich der zuständige Ausschuss des Landtags am Montag bereits zum dritten Mal in öffentlicher Sitzung befasste. Samtlebens Vorwurf lautet: Er habe nicht Abgeordneter werden können, weil er sich weigerte, dafür zu zahlen.
Indirekt wurde die Anschuldigung jetzt erhärtet - durch Uwe Wurlitzer, den der Wahlprüfungsausschuss am Montag als Zeugen geladen hatte. Der Generalsekretär der sächsischen AfD betonte zwar, der Vorstand habe die Streichung wegen Arbeitsverweigerung Samtlebens im Landesvorstand und als Kreischef in Bautzen veranlasst: »Er war unzuverlässig und hat seine Arbeit nicht gemacht«, sagte Wurlitzer. Auf Nachfrage listete er aber auch auf, welches Vorstandsmitglied welchen Darlehensvertrag gegenzeichnete. Dabei wurde klar, dass von den 15 Bestplatzierten der in Weinböhla erstellten Landesliste nur Samtleben die Unterschrift verweigert hatte.
Von den jetzigen Mitgliedern der Fraktion wurden nur Karin Wilke und Silke Grimm nicht genannt. Grimm hatte ursprünglich auf Platz 16 der Liste gestanden und verdankt ihren Einzug ins Parlament neben der Streichung Samtlebens dem Umstand, dass der Zweitplatzierte, Thomas Hartung, nach beleidigenden Äußerungen über Behinderte noch vor der Wahl freiwillig verzichtete. Wilke rückte erst später für den ausgeschiedenen Abgeordneten Stefan Dreher nach. Wurlitzer ließ freilich auch durchblicken, dass sich nicht alle Abgeordnete an ihre zunächst bekundete Bereitschaft zur Zahlung gebunden fühlten - auch er selbst habe nicht gezahlt.
Die Frage, ob aussichtsreiche Listenplätze womöglich nur mit Parteimitgliedern besetzt wurden, die dafür auch zahlen wollten, wird maßgeblich für die Entscheidung des Wahlprüfungsausschusses über Samtlebens Beschwerde. Gibt das Gremium ihr statt, hätte das weitreichende Folgen: Die Landtagswahl müsste wiederholt werden.
AfD-Landeschefin Frauke Petry hatte diesen Umstand in ihrer Anhörung als Zeugin demonstrativ gelassen kommentiert. Mit Blick auf die Umfragewerte der Partei sagte sie, gegen eine Neuwahl hätte sie »keine Bedenken«. Unterminiert wurde ihre Gelassenheit später indes durch eine Anzeige wegen Meineids. Petrys Aussagen standen teils zu denen des ebenfalls im Ausschuss vernommenen Schatzmeisters Hütter im Widerspruch. Weil beide vereidigt wurden, drohte im schlimmsten Fall eine Gefängnisstrafe.
Allerdings kann Petry sich jetzt auch diesbezüglich gelassen zurücklehnen. Die Staatsanwaltschaft Dresden teilte am Montag mit, sie habe den von einer Anzeige ausgelösten Vorgang eingestellt - mit der Begründung, dass der Landtagsausschuss »keine zur Abnahme von Eiden zuständige Stelle« sei. Die Einschätzung dürfte für Verblüffung sorgen: Im Gesetz über die Wahlprüfung des Freistaats ist ausdrücklich von »Vereidigung« die Rede.
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