nd-aktuell.de / 31.05.2016 / Politik / Seite 6

Und wer ehrt die mutigen Meuterer?

Briten und Deutsche gedenken der Schlacht vor Skagerrak vor 100 Jahren

Jörg Hafkemeyer

Es war das letzte große Gefecht auf See: Die Skagerrak-Schlacht vor 100 Jahren (s. »nd« vom 28./29. Mai). Kriegsentscheidend war sie nicht. Für viele wurde sie zu einem Inferno. Heute Nachmittag (31. Mai) soll es auf hoher See eine Ehrerweisung für die damals umgekommenen Matrosen durch Angehörige der deutschen und britischen Marine geben. Es ist unwahrscheinlich, dass während der Zeremonie die Admirale beider Seiten an die Meuterei der Mannschaften 1917 gegen ein erneutes Auslaufen in ein sinnloses letztes Gefecht erinnern werden.

Die kaiserliche Marine ließ zwei der Anführer standrechtlich erschießen: Max Reichpietsch, Obermatrose auf SMS »Friedrich der Große«, und Albin Köbis, Heizer auf SMS »Prinzregent Luitpold«. Mein Großvater Eberhard Hafkemeyer war Artillerist auf dem gleichen Schiff. Er war beteiligt an der Meuterei, wurde nach den Kriegsgerichtsverfahren eingesperrt und später zu einer Küstenbatterie nach Wangerooge strafversetzt.

50 Pfennig verdienten die Matrosen am Tag. Das reichte »nicht vorne und nicht hinten«. Die Verpflegung war mager: »Es gibt Dörrgemüse, nachdem es in derselben Woche schon Kohlrüben, Kartoffelschalensuppe und Klippfisch gegeben hat. Die Backschafter kommen mit den Schüsseln und teilen aus: warmes Wasser mit Grün, weiter nichts«, schrieb Theodor Plivier in seinem 1930 erschienenen Buch »Des Kaisers Kulis« und fuhr fort: »Die Offiziersküche ist in derselben Mittschiffskasematte untergebracht. Die Bratendüfte, die Gerüche von Pommes frites und Saucen, die dem Admiral, dem Flottenstab und den Schiffsoffizieren serviert werden, ziehen durch das Deck. Im eigenen Bauch schwappt die Suppe.«

Eberhard Hafkemeyer ist 1916, als er in die Skagerrak-Schlacht zieht, 24 Jahre alt. In den Geschütztürmen sind der Krach, die Hitze, der Druck infernalisch: »Die Blase drückt. 80 im Turm eingeschlossene Blasen drücken. Die Feuerlöscheimer werden voll gepisst und laufen über. Eine Stunde dauert das Gefecht. Die physischen Funktionen der Geschöpfe - Blut, Nerven, Därme - arbeiten im Tempo der rasenden Maschinen«, notierte der Matrose Plivier. Diejenigen, die die Schlacht überlebten, und nach der Niederschlagung der Meuterei auch das Kriegsgerichtsverfahren, waren bei Kriegsende 1918 häufig gebrochene Männer. Plivier erinnerte sich, dass die Admiralität den Verlauf der Skagerrakschlacht in einen Sieg umgelogen hat. In den 1920 veröffentlichten Memoiren des Befehlshabers der Deutschen Hochseeflotte, Vizeadmiral Scheer, ist das nachzulesen. Auch, mit welcher Verachtung er auf die meuternden Soldaten herab schaute.

Eberhard Hafkemeyer hat weder mit seinem Sohn Horst, noch mit seiner Frau Martha viel über seine Erlebnisse in der kaiserlichen Marine zwischen 1914 und 1918 gesprochen. Er hat sich verschlossen.

Es gibt ein Foto, schwarz-weiß, von ihm. Aus dem Jahr 1914 auf der SMS »Thüringen«. Drei Matrosen sitzen auf dem Rand eines hölzernen Bottichs. Hafkemeyer steht hinter ihnen und zeigt auf einen vorne an den Bottich angelehnten Rettungsring und auf eine Kreideschrift: »Ein Sonntag ohne Geld.« In Scheers Erinnerungen ist darüber nichts zu finden. Kein Wort über die Gründe, Umstände, die zu der letztlich erfolglosen Meuterei führten, dafür nur Hohn und Spott für die Matrosen.