Es gibt keinen glücklichen Kritiker. Weil der Bewertungswille die Überraschungsfähigkeit anfrisst. Der Kritiker betritt ein Amt, wo der Autor in Existenzen springt. Aber gibt es glückliche Autoren? Als wuchtige Größen?
Da sind zum Beispiel die an diesem Sonnabend beginnenden Autorentheatertage des Deutschen Theaters, da gibt es den Stückemarkt des Theatertreffens und andere Wettbewerbe zwischen Mülheim und Heidelberg - der Stückeschreiber steht dennoch etwas verloren im literarischen Gelände. Wie das Gegenwartstheater überhaupt, wenn man den Vergleich mit Früherem, mit Weiss, Frisch, Dürrenmatt, Kipphardt, Braun, Strauß, Müller probiert. Natürlich, auch heute gibt es »meistgespielte« Autoren, Geheimtipps, ein paar letzte Findlinge wie Handke oder Dorst, prominente semi-jüngere Namen wie Schimmelpfennig, Hübner, Laucke, Kater, Stockmann, Löhle, Bärfuss, Lotz, von Mayenburg. Und Nachdrängende zuhauf! Aber durchschlagende Kraft? Packende Gegenwartsgeschichten, die zu Spielplanzentren werden?
Umso mehr verdienen besagte Autorentheatertage am DT höchsten Respekt. Sie haben etwas von: klar sehen - und doch hoffen. Hoffen heißt: arbeiten, zeigen, diskutieren. Gastspiele, Voraufführungen, Premieren. Stücke aus dem Deutschen Theater selbst, dazu Basel, Wien, Graz, Stuttgart Mannheim, Köln, Karlsruhe, Mainz, Detmold, Bonn Zürich. Nichts Neues aus Osttheatern? Seltsam! Eine dreiköpfige Jury hat aus 175 Einsendungen ausgewählt; Schauspielhaus Zürich und Burgtheater Wien sind Partner. Von »konzertierter Aktion« und »deutlichem Ausrufezeichen« spricht Intendant Ulrich Khuon. Gegen die seelischen Verwerfungen, die unterm Waber- und Laberteppich des medial-politischen Rauschens heraufkrebsen.
Just unsere Zeit der freien Individuen schuf Ballungen aus Namenlosen. Man schaue auf die Leit-Gesichter in allen Parteien. Auch auf dem Theater: kaum noch vulkanische Typen, die sich wagemutig, kündend, rücksichtslos ins, gegen das Schicksal werfen. Gestalten, die sich herumsprechen, lauffeuerschnell? Auf der Überholspur jagen die Altgedienten der Jahrhunderte vorbei. Und die Spielleiter. Das Kino schuf den Autorenfilm, die Bühne das Regisseurstheater.
Gegenwartsdramatik heißt: Menschen werden von Autoren in Sprachröhren gesteckt, die durch Reflexionsebenen und Themenparks taumeln. Gedanken- statt Blutbahnen. Kopien von Denkformen stammeln ratlos aneinander vorbei. Aus gedämpfter Atmosphäre platzen vereinzelte Schreie der Rebellion. Kollektive Begeisterung förderte einst das Gefühl der Erhebung, es blieb nur Scham, daran teilgehabt zu haben. Was man heute einzig noch tun kann: sich und dem Publikum erklären, warum man im Leben nichts mehr zu klären in der Lage ist? So ist vielfach die neue Dramatik, denn so ist das Drama jetziger Welt.
Autorentheatertage am DT. Stich- und Stichelworte: Kürbisse, Antigone, Ramstein, Birkenwald, Glaubenskämpfer, Eurydike, LSD. Es geht um alles in der Welt. Um alles in der Welt: Es geht um uns. Und darum, wohin der Weg des Lebens führt. »Über meine Leiche« heißt das Auftaktstück von Stefan Hornbach, eine DT-Koproduktion mit dem Burgtheater Wien.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1014903.konzertierte-aktion.html