Kein Problem mit schrägen Tönen

Leipziger Stiftung lädt mit großem Erfolg jeden Mittwoch zum Bürgersingen ein

  • Heidrun Böger, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Bürgersingen in Leipzig wird immer beliebter. Schräge Töne sind hier kein Problem: Hauptsache Spaß am gemeinsamen Musizieren ist das Motto.

Ein Spektakel im positiven Wortsinn findet jeden Mittwoch ab 17 Uhr im Leipziger Johannapark statt. An die 80 musikbegeisterte Frauen und einige Männer singen gemeinsam. Das Angebot wird immer beliebter.

»Ich war schon letztes Jahr dabei«, erzählt Doris Graf. Die Rentnerin ist heute mit ihren beiden Enkeln gekommen: »Egal wie vorher meine Stimmung war, hier gehe ich immer gut gelaunt wieder weg.« Sie sei schon immer sangesbegeistert gewesen, und das Bürgersingen »macht einen Riesenspaß«. Dem kann sich Mitsängerin Ute Nöther nur anschließen: »Zweistimming im Kanon, das geht hier problemlos, auch für Neulinge.«

Das Singen im Park findet von Mai bis September statt und ist ein Angebot der Stiftung »Bürger für Leipzig«. Mitinitiatorin Angelika Kell: »Wir wollten mit dem Bürgersingen ein Angebot schaffen, das für jede und jeden offen, leicht erreichbar und kostenfrei ist. Offenkundig gibt es ein großes Bedürfnis, gemeinsam zu singen.« Jede und jeder kann ohne Voranmeldung kommen und mitmachen.

Letztes Jahr fand das Bürgersingen zum ersten Mal statt. Im Advent gab es zusätzlich weihnachtliche Lieder mit besonders großer Resonanz. Über 200 Leipzigerinnen und Leipziger waren dabei. Bei der Gelegenheit macht die Stiftung immer auch etwas Werbung für ihre Arbeit, ein positiver Nebeneffekt. Angelika Kell: »Das Singen ist die beste Öffentlichkeitsarbeit, die man sich vorstellen kann.« Die Bürgerstiftung wurde 2003 von rund 50 Personen gegründet und zählt heute 115 StifterInnen. Mit eigenen Projekten und durch die Förderung anderer setzt sie sich dafür ein, Leipzig besser zu machen. So gehen im Projekt »Wunderfinder« je zwei Kinder mit einem Paten zehnmal im Jahr auf Exkursion zu spannenden Orten.

Dass es an diesem Tag ein wenig regnet, stört die Sangesbegeisterten, die sich um Gabriele Lamotte und ihre Gitarre versammelt haben, wenig. Sie stellen sich einfach unter das dichte Blätterdach von Bäumen. Und schon geht es los: »Grün, grün, grün sind alle meine Kleider...« Das können auch die Jüngsten schon mitsingen. Alle entscheiden gemeinsam, was vorgetragen wird. Gabriele Lamotte ist Sopranistin und Gesangslehrerin und von der Stiftung für das Bürgersingen engagiert. Sie begleitet die Sängerinnen und Sänger auf der Gitarre und hilft auch, manche gesangliche Klippe zu erklimmen: »An der Stelle geht die Stimme hoch!«

Die Idee zum Bürgersingen hat die Leipziger Stiftung aus Halle übernommen, wo es das schon länger gibt. Das Honorar für die künstlerische Leiterin Gabriele Lamotte übernimmt die Stiftung, und man kümmert sich um die Liederhefte. Neuerdings gibt es die sogar in Braille-Schrift, weil auch Blinde dabei sind. Alles soll so ungezwungen bleiben, wie es ist. Schräge Töne sind kein Problem, ein Profi-Chor ist nicht geplant.

Die meisten Lieder sind den Anwesenden - die meisten sind Frauen jenseits der 60 - aber bekannt. Sie brauchen das Liederbuch höchstens für die zweiten und dritten Strophen. Beliebt sind vor allem Volkslieder. Der Klassiker »Die Gedanken sind frei« ist eigentlich immer dabei, genauso wie das Studentenlied »Gaudeamus igitur«, aber auch das Kinderlied »Laurentia, liebe Laurentia mein«.

Das Buch mit den Noten und Texten von etwa 100 Liedern kann man sich gegen eine Gebühr von zwei Euro ausleihen und hinterher abgeben. Oder für das Singen am nächsten Mittwoch gleich behalten.

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