nd-aktuell.de / 13.07.2016 / Politik / Seite 18

Keine Strafe für Flugblattaktion

Kriegsgegner freigesprochen

Josephine Schulz

»Verweigern und ignorieren sie konsequent jegliche Befehle.« Das fordert Hermann Theisen von den Beschäftigten des Fliegerhorstes Büchel in der Eifel. In dem kleinen Ort ist der Friedensaktivist bekannt. Regelmäßig verteilt er Flugblätter mit Aufforderungen zu sozialem Ungehorsam und Whistleblowing. Denn auf dem Gelände in Büchel sollen US-Atomwaffen lagern. Er schreibt an Bürgermeister, Verwaltungsangestellte und Lokalpolitiker. Auch die Mitarbeiter der Waffenschmiede Krauss-Maffei Wegmann in München, die den Leopard-II-Panzer produziert und nach Saudi-Arabien verkauft, animiert er zu Sabotageaktionen.

Bisher ist zwar kein Soldat der Aufforderung zum Whistleblowing nachgekommen - obwohl Theisen in seinen Flugblättern juristische Unterstützung verspricht. Dennoch sitzt der Aktivist regelmäßig wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat auf der Anklagebank. In zwei Fällen hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, außerdem laufen zwei Berufungsverfahren gegen ihn. Am Mittwoch sprachen ihn die Richter am Koblenzer Landgericht in einem dieser Berufungsverfahren frei. Sie beriefen sich dabei vor allem auf die Meinungsfreiheit.

Die Ärzteorganisation IPPNW solidarisierte sich im Vorfeld mit Theisen und schrieb in einem offenen Brief: »Die Staatsanwaltschaft Koblenz verfolgt den Atomwaffengegner Hermann Theisen wegen der Verteilung eines Flugblattes mit einer Übereifrigkeit, die den Verdacht erweckt, als gäbe es dabei eine politische Agenda.« Die Bundesregierung scheue scheinbar eine öffentliche Debatte über die Lagerung und Aufrüstung der Atomwaffen in Büchel sowie über eine Vereinbarkeit der Nuklearen Teilhabe im Rahmen der NATO mit dem Völkerrecht und dem Grundgesetz, heißt es dort weiter.

Seit Jahrzehnten widmet sich Theisen dem Kampf gegen Aufrüstung und Kriegseinsätze. Der Antimilitarist, Jahrgang 1962, hat sich in den 80er Jahren politisiert: NATO-Doppelbeschluss, Friedensbewegung, Reaktorunglück in Tschernobyl. Die Bedrohung durch nukleare Waffen ist seitdem eines seiner Kernthemen geblieben. Theisen will die Öffentlichkeit informieren, dass auf dem Fliegerhorst Atomwaffen gelagert werden und warnt vor einer möglichen »nuklearen Teilhabe«. Der Friedensaktivist ist Mitglied im Grundrechtekomitee und in der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen), sonst jedoch eher ein Einzelkämpfer.

Mit Freisprüchen in Berufungsverfahren hat Theisen bereits Erfahrung. In erster Instanz wurde er schon mehrmals wegen des Aufrufs zu Straftaten verurteilt. Weil er Geldstrafen nicht zahlen wollte, landete er auch schon dreimal in Erzwingungshaft. Bisher nahm er das relativ gelassen. Zwar ginge es ihm nicht darum, ständig auf der Anklagebank zu sitzen, aber er hoffe auf eine öffentliche Debatte. In zweiter Instanz wurden die Verurteilungen bisher immer wieder kassiert.

Er sieht in der Tatsache, dass die Justiz seine Aktionen so akribisch verfolgt, auch eine Bestätigung der Wirkung seiner Beharrlichkeit. »Der Eindruck entsteht, dass meine Flugblätter gefährlicher als die Sprengköpfe sind.« Mit Agenturen