Sein neuer Job in der Privatwirtschaft sorgte für skeptische Blicke, nun reagiert EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mit einem drastischen Schritt auf die neue Karriere seines Vorgängers: Als Antwort auf den Wechsel José Manuel Barrosos zur Investmentbank Goldman Sachs sollen dem Portugiesen zahlreiche Privilegien als früherer Präsident gestrichen werden. Juncker habe nach Informationen der »Süddeutschen Zeitung« seinem Amtsvorgänger unter anderem das Recht auf direkten Zugang zur EU-Kommission genommen. Im Juli war bekannt geworden, dass Barroso als Berater sowie als nicht-geschäftsführender Präsident bei der Goldman Sachs International Tochtergesellschaft in London anheuert.
Juncker schrieb in einem Brief an die EU-Ombudsfrau Emily O'Reilly, Barroso solle »nicht mehr als früherer Präsident, sondern wie jeder andere Interessenvertreter« behandelt werden. Damit reagierte der EU-Kommissionchef auf die kritische Nachfrage O'Reillys, die wissen wollte, inwiefern Barroso seine bisherigen Privilegien in Brüssel in seinem neuen Job möglicherweise missbrauchen könnte. Die europäische Bürgerbeauftragte hatte in einem Brief von Juncker eine Reihe von Klarstellungen zur Personalie Barroso verlangt. Die Anstellung des früheren EU-Kommissionschefs durch die US-Bank habe in der Öffentlichkeit »weitverbreitete Bedenken« ausgelöst, so O'Reilly.
»Dieses öffentliche Unbehagen wird durch die Tatsache verstärkt, dass Herr Barroso öffentlich erklärt hat, dass er als Berater zu der Entscheidung des Vereinigten Königreichs tätig sein wird, die EU zu verlassen.« Die Kommission müsse deshalb erklären, ob es Leitlinien dafür gebe, wie ihre Brexit-Verhandlungsführer mit Barroso umgehen dürften.
Noch im Juli wollte Juncker von einem möglichen Konflikt nichts wissen, doch von nun an soll sein Vorgänger wie jeder andere Lobbyist behandelt werden. Die wichtigste Folge der Entscheidung: Trifft sich sich ein Mitglied der Kommission mit Barroso, müssen die Gespräche künftig im Transparenzregister veröffentlicht werden. Auch werde der Ex-Präsident nun nicht mehr bei einem Besuch am Sitz der Kommission vom Protokoll empfangen.
Aus formaler Sicht hatte sich Barroso an alle Regeln des Ethikodexes der EU-Kommission gehalten: Diese schreibt unter anderem einen Karenzzeit von 18 Monaten vor. In dieser Zeit hätte sich der Portugiese seine neue Stelle von Brüssel genehmigen lassen müssen. Doch Barroso trat seinen Job bei der Goldman Sachs Tochter erst nach 20 Monaten an. Für O'Reilly ergibt sich daraus aber die »offensichtliche Frage«, ob der Kodex »mangelhaft« ist, insbesondere mit Blick auf die 18-Monats-Frist.
Juncker indes sah sich dennoch auch wegen der wachsenden Kritik genötigt, in diesem »spezifischen Fall« Informationen über die konkreten, neuen Aufgaben seines Vorgängers bei der Investmentbank einzuholen, wie die »SZ schreibt«. Was er dabei konkret heraudfand, ist bisher nicht bekannt, war aber offenbar so schwerwiegend, dass Barroso nun die Privilegien entzogen wurden. Die konkreten Ergebnisse seiner Recherche will Juncker nun mit dem Ethik-Komitee der Kommission diskutieren.