Punktsieg für Clinton in Runde Eins

Schonungsloser Schlagabtausch in der Fernsehdebatte der US-Präsidentschaftskandidaten

  • Max Böhnel, New York
  • Lesedauer: 3 Min.

»Amerika beim Hochseilakt«, »Weichenstellung für die Zukunft«, »Wahlentscheidendes Jahrhundert-Duell«, so titelten große Medien vor der Debatte an der Hofstra-Universität auf Long Island unweit von New York City. Geschätzte 100 Millionen US-Amerikaner, ein Drittel aller Einwohner und Einwohnerinnen, erreichte das TV-Spektakel. Die dominierende Auffassung in der veröffentlichten Meinung: Hillary Clinton schlug sich insgesamt besser als Donald Trump. Aber zu der von den Demokraten erhofften Selbstdemontage des Immobilienmoguls kam es nicht.

»Ein hässlicher Wahlkampf, komprimiert in einer Debatte«, schrieb die »New York Times« am Dienstag. Der Begriff Debatte habe allerdings seine ursprüngliche Bedeutung verloren, wenn »nur ein Kandidat ernst zu nehmen und der andere ein geistloser Tyrann ist«. Die Zeitung hatte über den Abend 18 Reporter zur Verifizierung von Fakten verpflichtet, die Clinton und Trump anbrachten. Ein gutes Dutzend Mal bestätigten sie innerhalb von Minuten, dass Trump schlichtweg log. Er bestritt beispielsweise Clintons Anwurf, er habe den Klimawandel mehrfach als »Erfindung Chinas« bezeichnet. Gleichlautende Twitter-Meldungen und Wahlkampfaussagen, die Trump im Wortlaut wiedergeben, stellten die Journalisten als »fact check« umgehend ins Internet.

Gleichwohl konnte Trump den Schlagabtausch in der ersten halben Stunde durchaus für sich verbuchen. Er begann ruhig und blickte seine Opponentin dabei konzentriert an, während sie steif wirkte. Als er ihr Unterstützung für das Freihandelsabkommen NAFTA während der Präsidentschaft ihres Mannes vorwarf (»Eines der schlimmsten Dinge, die der verarbeitenden Industrie je wiederfahren sind«), kam Clinton ebenso ins Schwimmen wie bei dem Vorwurf, die transpazifische Partnerschaft TPP in ihrer Obama-Ära erst als »Goldstandard« für ein erfolgreiches Freihandelsabkommen gelobt und später aus wahlpolitischem Kalkül abgelehnt zu haben.

Gerade in den Swing States, den umkämpften Staaten im Mittleren Westen, wo die Kontrahenten Kopf an Kopf liegen, wird NAFTA von vielen Wählern zurecht für das verheerende Outsourcing von Arbeitsplätzen verantwortlich gemacht. So konnte sich Trump anfangs als Vertreter von Arbeiterinteressen inszenieren - gegen die Insiderin Clinton, die »seit 30 Jahren« für den Status quo stehe.

Doch dann ging es für Trump bergab. Mit Faktenkenntnis über seine ausbeuterischen Geschäftspraktiken und angesichts seiner Weigerung, Auskunft über seine Steuererklärung zu geben, wurde er von Clinton innerhalb kürzester Zeit in Widersprüche verwickelt, die teilweise in sinnlosem Gestammel endeten. Seine Gegenangriffe, zunehmend aggressiv und verletzend vorgetragen, konterte sie überlegen mit Witz und Geduld. Er solle einfach »nur weiter verrücktes Zeug von sich geben«, sagte sie an einer Stelle unter dem Gelächter des Publikums. Als völlig durchgeknallt erschien Trump beim Thema Rassismus und Gewalt. Als Clinton sagte, Afroamerikaner würden im USA-Justizsystem systematisch benachteiligt, stöhnte er demonstrativ auf. Als Gegenmittel fiel ihm nichts anders als »law and order« ein, die es wiederherzustellen gelte. Als positives Beispiel nannte er die von einem Gericht als verfassungsfeindlich erklärte Praxis der willkürlichen Durchsuchungen und Festnahmen (»stop and frisk«). Als Trump dabei die Städte Chicago und Charlotte erwähnte, betonte er, ohne den Zusammenhang herzustellen, dort selbst Liegenschaften zu besitzen. Ähnlich unsinnig wiederholte er seine Behauptung aus früheren Wahlkampfauftritten, Präsident Obama und die damalige Außenministerin Clinton hätten dafür sorgen müssen, dass US-Truppen in Irak die Erdölfelder besetzen, um die Entstehung der Terrormiliz Islamischer Staat zu verhindern.

Trump war also auch in diesem ersten TV-Duell ganz Trump, während Clinton stets gefasst blieb, klar und präsidiabel wirkte. So ging diese Runde nach Einschätzung der hiesigen Medien an die Kandidatin der Demokraten. Aus dem Spiel ist der republikanische Präsidentschaftskandidat aber noch nicht.

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