Der zweitgrößte Landkreis Deutschlands
In der Niederlausitz sollen 4918 Quadratkilometer rund um Cottbus eine einheitliche Verwaltung erhalten
Die Pendlerströme bewegen sich auf einer Ost-West-Achse durch die Niederlausitz. Die Region ist in dieser Hinsicht und in vielen anderen Fragen nicht so stark auf Berlin ausgerichtet wie andere Gegenden Brandenburgs. Strahlenförmig führen die Verkehrswege anderswo hauptsächlich zur Bundeshauptstadt. In der Lausitz sind die Querverbindungen besser ausgebaut als sonst üblich. Dazu tritt die wirtschaftliche Verflechtung. Die zeigt sich beispielsweise in dem Wachstumskern, den die Städte Lauchhammer, Großräschen und Finsterwalde über die Kreisgrenze von Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz hinweg bilden.
Finanzminister Christian Görke (LINKE) kann leicht eine Stunde und länger darüber reden, was beim Neuzuschnitt der Landkreise für den geplanten riesigen Südkreis spricht. Er erwähnt dabei auch die historisch bedingte Verbundenheit in der Niederlausitz und das Gefühl für die Gemeinsamkeiten der Einwohner. Daneben gebe es aber viele andere Vorteile einer solchen Lösung, betont er. Zum Beispiel würde sich der neue Landkreis mit den Zuständigkeitsbereichen der Finanzämter Calau und Cottbus decken.
»Ja, es entsteht einer der größten Landkreise Deutschlands«, weiß der Minister. 4918 Quadratkilometer wird dieser Landkreis groß sein, übertroffen nur von der Mecklenburgischen Seenplatte. Doch mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von zwölf Milliarden Euro jährlich entstehe »ein starker Akteur im Süden«, sagt Görke. Abgesehen von Teltow-Fläming und dem vom Flughafen Schönefeld profitierenden Dahme-Spreewald, die zusammen ein BIP von zehn Milliarden Euro aufweisen, kommen alle anderen Landkreise nur auf fünf bis sechs Milliarden Euro.
Freilich verliert der Finanzminister nicht aus den Augen, dass die Niederlausitz und die Prignitz keine Grenze zu Berlin haben werden, also nichts abbekommen von den Steuereinnahmen, die im Speckgürtel der Bundeshauptstadt sprudeln. Doch Görke lässt prüfen, inwieweit da ein Finanzausgleich möglich ist.
Landesweit soll die Kreisgebietsreform im Verbund mit einer breit angelegten Verwaltungsstrukturreform auf den Bevölkerungsschwund reagieren und dafür sorgen, dass auch in Zukunft jede Gebietseinheit eine kritische Masse an Einwohnern hat, um eine leistungsfähige Kreisverwaltung finanzieren und organisieren zu können. Aus dem selben Grunde haben auch die anderen ostdeutschen Bundesländer Kreisgebietsreformen bereits durchgeführt oder in Planung.
Genau das aber bezweifelt die Antikapitalistische Linke (AKL). Die AKL lehnt die Neugliederung in Brandenburg nicht in erster Linie deswegen ab, weil sie Gelder verschlinge, die anderswo besser eingesetzt wären, sondern wegen ihrer »kapitalistischen Zwecksetzung«. Denn aus der Sicht des kleinen Mannes sei der Neuzuschnitt der Landkreise »überflüssig«, heißt es.
Der prinzipielle Vorwurf ist beileibe nicht die einzige innerparteiliche Kritik. Vorbehalte gibt es viele gegen die Landkarte, die Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und Finanzminister Görke am Mittwoch als ihre Vorzugsvariante vorgestellt haben - insbesondere Vorbehalte gegen den riesigen Südkreis, der fast die gesamte Niederlausitz erfasst und damit beinahe die Dimensionen des DDR-Bezirks Cottbus erreicht. Ganz praktische Probleme damit nennt der Landtagsabgeordnete Matthias Loehr (LINKE). Um seine Heimatstadt Cottbus macht der sich keine Sorgen. Die werde sich wegen ihrer Größe so oder so behaupten, denkt er. Doch es sei »illusorisch« zu glauben, dass die Kreisverwaltung an den Rändern in Herzberg und Forst auf Dauer erhalten bleibe, auch wenn dies erst einmal als Ziel ausgegeben wird. Jetzige Außenstellen in Spremberg und Guben würden wohl sofort wegfallen.
Loehr plädiert für ein Zusammengehen von Cottbus und Spree-Neiße auf der einen Seite sowie Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz auf der anderen. In Cottbus und Spree-Neiße hat die LINKE eine solche Variante bereits vor Jahren vorweggenommen. Es gibt für die Stadt und den umliegenden Landkreis einen gemeinsamen Kreisverband Lausitz. Loehr ist der Vorsitzende. Er glaubt, der riesigen Südkreis lasse sich noch verhindern. Immerhin steht im Koalitionsvertrag mit der SPD, dass es künftig maximal zehn Kreisverwaltungen geben solle. Die Vorzugsvariante von Görke und Schröter sieht neun Landkreise vor. Es wäre also noch Luft für eine Aufteilung im Südkreis. Loehr beruft sich auf Innenminister Schröters Aussage, jeder könne jetzt bessere Vorschläge machen. »Das werden wir tun«, sagt Loehr.
Anders eingestellt ist Mario Dannenberg, Linksfraktionschef und Kreisvorsitzender in Oberspreewald-Lausitz. »Der Zug ist abgefahren. Der Bürger hat davon nur Vorteile«, findet er. Dannenberg wundert sich nicht über die teils heftige Kritik von nahezu allen Seiten. Es wäre ganz egal gewesen, wie die Landkarte nun aussehen soll. Bemängelt worden wäre sie sowieso. Der Kreisvorsitzende mahnt, die Chancen des Südkreises zu erkennen. »Keiner wollte das arme Elbe-Elster. Wir sagen: Wir nehmen Euch mit.« Gegenargumente, die ihm einleuchten, hat Dannenberg noch nicht gehört. »Es gibt keine«, sagt er.
Oberspreewald-Lausitz sollte nach dem Willen der SPD zu Spree-Neiße, damit die Lausitzmetropole Cottbus ihr Umland nicht dominiert. Elbe-Elster hätte nach diesen Überlegungen mit Teltow-Fläming fusionieren sollen, Dahme-Spreewald wäre dann eventuell für sich geblieben. Doch die LINKE erreichte in Gesprächen mit der SPD, dass Elbe-Elster an seine östlichen Nachbarn in der Niederlausitz angebunden werden soll.
Besonders umstritten ist derweil auch, dass die Stadt Brandenburg/Havel vom Havelland geschluckt werden soll. Dabei hat sie nur einen schmalen Korridor mit einem Feldweg dorthin. Deswegen soll denn auch ein kleiner Teil von Potsdam-Mittelmark dem Havelland zugeschlagen werden, um die betreffende Landbrücke zu verbreitern.
»Warum diese Stadt ins Havelland eingekreist werden soll, wird wohl auf ewig das Geheimnis der Landesregierung bleiben«, ätzt der Landtagsabgeordnete Steffen Königer (AfD). Er argwöhnt insgesamt eine »politische Meisterleistung«, da die SPD im Moment acht Landräte und einen Oberbürgermeister stelle und die LINKE eine Landrätin. Die CDU habe vier Landräte und zwei Oberbürgermeister. Außerdem gebe es drei Unabhängige, rechnet Königer. Ein OB und zwei Landräte sind tatsächlich parteilos, aber nicht wirklich unabhängig. Denn sie wurden von SPD, LINKE und CDU nominiert beziehungsweise unterstützt. Nach der Gebietsreform würden, so erwartet Königer, bis auf zwei Chefposten alle Ämter ans Regierungslager fallen.
Im künftigen Südkreis müssten die drei Landräte von Spree-Neiße, Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz 2018 - turnusmäßig nach acht Jahren - für lediglich ein Jahr neu gewählt werden. Um diesen unsinnigen Aufwand zu vermeiden, sollen die Amtszeiten durch eine Sonderregelung verlängert werden - bis zur Kommunalwahl 2018. Dann soll der neue Kreistag für den Südkreis seinen Landrat bestimmen. Die Direktwahl durch die Bürger soll landesweit ausgesetzt werden, weil sie zu lange dauern würde.
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