Breit aufgestellt

Personalie

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Man braucht für jede Tätigkeit eine Qualifikation. Wer zum Beispiel Tischler werden will, sollte gut mit dem Hobel umgehen können; für Sozialarbeiter ist Empathie eine gute Voraussetzung. Wer aber den Beruf des Politikers anstrebt, muss vor allem ein Handwerk gut beherrschen: das der sinnfreien Rede. Als Minimalanforderung dürfte das Beherrschen von Sätzen wie diesen gehören: »Ich sehe den Schwerpunkt meiner Arbeit darin, der Illusion vergangener Größe eine Vision der Zukunft entgegenzusetzen« oder: »In einer Zeit großer Umbrüche, in der Begriffe wie Arbeit und Beschäftigung neu definiert werden, kommt auch der Kultur eine ganz neue Aufgabe zu.« Hilfreich ist es auch, wenn man um zwei Uhr nachts nach einer Marathonsitzung der AG Kulturpolitik in und bei der SPD fehlerfrei dies von sich geben kann: »Fortschrittliche Politik muss sich um diejenigen kümmern, die rausfallen«, wobei es »dringend notwendig« sei, »Kultur breiter zu denken«.

Selbstverständlich sollte man als Politiker zu so später Stunde jeden Eindruck vermeiden, man habe diese Sätze in einem drogeninduzierten Zustand formuliert, der im Volksmund mit dem Begriff »breit« umschrieben wird, denn nur dann kann die Rede von der breiter gedachten Kultur ihre ganze Wirkmächtigkeit entfalten.

Wer solcherart Redekunst gut beherrscht, kann sich bei einem SPD-Kreisverband um ein politisches Mandat bewerben. Sagen wir etwa beim Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf in Berlin um eine Direktkandidatur für den Bundestag.

Von wem die Rede ist? Von Tim Renner, bislang Kulturstaatssekretär in Berlin, demnächst aber ohne Job, weil das Ressort bei den rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen an die Linkspartei ging. Wie gesagt, die nötige Qualifikation für einen Politiker bringt der 52-Jährige mit. Vielleicht sollte er bei seiner Vorstellung bei der SPD-Basis noch auf seine frühere Tätigkeit als Musikproduzent, Journalist und Autor hinweisen, um damit zu belegen, dass er kulturpolitisch »breit aufgestellt« ist. Dann kann nichts mehr schief gehen.

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