nd-aktuell.de / 12.12.2016 / Berlin / Seite 11

Schubert ist neue Landeschefin

Delegierte wählen auf Parteitag LINKEN-Vorstand / Partei stellt sich hinter Andrej Holm

Martin Kröger

Die Linkspartei in Berlin hat eine neue Vorsitzende. Mit 122 Ja-Stimmen (75,3 Prozent) von 162 Delegiertenstimmen wurde Katina Schubert am vergangenen Sonnabend auf dem Parteitag in Adlershof zur neuen Landesvorsitzenden gewählt. »Der Landesvorstand muss eine aktive Rolle in der Politik und der Strategieentwicklung spielen«, sagte Schubert, die es als ihre Aufgabe ansieht, den Landesverband zusammenzuhalten. Als Vizevorsitzende wurden Franziska Brychcy, Sandra Brunner und Tobias Schulze gewählt.

Nach den leidvollen Erfahrungen aus der rot-roten Koalition wird es für die neue Parteiführung in den kommenden Jahren tatsächlich eine große Herausforderung sein, der Partei trotz der Regierungsbeteiligung in einem Bündnis mit SPD und Grünen eine eigene, wahrnehmbare Stimme zu verleihen. Extra viel Zeit wurde deshalb auf dem Parteitag für die Generaldebatte zur Regierungsbeteiligung und dem ausgehandelten Koalitionsvertrag verwandt.

»Bei dem, was wir im Wohnungsbau verhandelt haben, kann man von einem Paradigmenwechsel sprechen«, betonte der frischernannte Bürgermeister und Kultursenator Klaus Lederer, der nach elf Jahren nicht noch einmal als Landesvorsitzender der Linkspartei angetreten war. In seiner Abschiedsrede bezeichnete Lederer das Erreichen aller Wahlziele durch die Berliner Linkspartei als »guten Start und Vorlage für das Wahljahr 2017«. Weder mit dem »unerwarteten Ergebnis« aus den Koalitionsverhandlungen noch mit der großen Beteiligung und dem fast 90-prozentigen Zustimmungsergebnis beim Basisentscheid zum Koalitionsvertrag habe er gerechnet. Viele der anwesenden Delegierten beklatschten Lederer im Anschluss mit stehenden Ovationen - in einer Dankesrede wies die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Ex-Landesvorsitzende der Berliner LINKEN, Petra Pau, auf die Erfolge der Lederer-Periode hin.

Wie wichtig der jüngste Wahlerfolg der LINKEN in der Hauptstadt auch für die Bundesebene ist, unterstrich bei der Parteiversammlung die Bundesvorsitzende Katja Kipping: »Es ist möglich, eine klare Haltung gegen Rechtspopulismus zu zeigen und dabei zu gewinnen«, beglückwünschte sie die Berliner Genossen. Zudem habe der Landesverband gezeigt, dass es möglich ist, auch junge Menschen für emanzipatorische Politik zu begeistern. Insbesondere die Übernahme des Wohnen- und Mietenressorts sei ein »Signal« gewesen, und zwar an »den Spekulanten- und Immobilienfilz in dieser Stadt!«, so Kipping.

Die Übernahme dieses Ressorts durch die Linkspartei-Politikerin Katrin Lompscher mit ihrem nominierten parteilosen Staatssekretär Andrej Holm sorgte nach der jüngsten CDU-Forderung, Holm wegen Vorwürfen zu seiner Vergangenheit bei der Stasi nicht zu ernennen, auch auf dem Landesparteitag für Diskussionen. Geschlossen stellten sich die Delegierten der Linkspartei hinter Holm. »Wir waren schon öfter solidarisch mit Andrej, und wir sind es als Partei auch jetzt wieder«, sagte Schubert. Und: Holm habe weder »gespitzelt noch zersetzt«. Katrin Lompscher sagte: »Andrej war 18! Ein Kind seiner Eltern, seiner Zeit, seines Umfelds - wir alle haben ein Recht auf Irrtum und Korrektur.« Allemal gelte das für die jungen Leute. Der designierte Staatssekretär Holm selbst bezog auf der Parteiversammlung ebenfalls Position zu den Vorwürfen. Er habe sich nicht getraut aufzubegehren, sagte Holm, der bereits als 16-Jähriger vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) angeworben worden war. Er habe aber andere bewundert, die das gemacht haben. Er sei zum Wachregiment »Feliks Dzierzynski« gegangen und habe ursprünglich für sich eine Perspektive beim MfS gesehen. Dann sei nach fünf Monaten durch die Wende aus dem Dilemma entlassen worden. »Ich bin einer, der extrem erleichtert war, dass die DDR zusammenbrach«, sagte Holm.

Inhaltlich war der Landesparteitag der Linkspartei durch eine Aufbruchsstimmung Richtung Rot-Rot-Grün geprägt. Selbst aus Parteiströmungen, die eine Regierungsbeteiligung ablehnen, gab es an diesem Sonnabend kaum kritische Töne. Deutlich wurde, dass Gewerkschaften und stadtpolitische Initiativen aber genau hinsehen, wie sich das konkrete Regierungshandeln unter Rot-Rot-Grün entwickeln wird. Aber auch bei ihnen scheint der neue Senat Vorschlusslorbeeren zu genießen.

Der Linksparteitag wurde am Sonntag mit den restlichen Wahlen zum Vorstand abgeschlossen.