Das Online-Lexikon Wikipedia zählt für die noch junge Schauspielerin Sandra Hüller (38) insgesamt 23 Filme, für die sie bislang 17 Preise eingeheimst hat. Das ist beachtlich für eine Karriere, die 1999 mit einem Kurzfilm begann. Die meisten Preise erhielt die Absolventin der Berliner Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« für ihre Darstellung einer Epilepsiekranken, die Opfer einer Teufelsaustreibung wird, in dem Film »Requiem« (2006).
Statistisch gesehen, hat die 1978 im thüringischen Suhl geborene Künstlerin damit pro Jahr eine Auszeichnung erhalten - die letzte, den Europäischen Filmpreis, erhielt sie erst vor Wochenfrist als beste Hauptdarstellerin für ihre Rolle in dem Film »Toni Erdmann« von Maren Ade. 2017 könnte indirekt eine 18. Auszeichnung dazukommen, vorausgesetzt, der Film schafft es von der Shortlist der Oscar-Verleihung als »Bester nicht-englischsprachiger Film« erst bis zur Endrunde und dann bis zur Auszeichnung.
»Toni Erdmann« erzählt die Geschichte einer Vater-Tochter-Beziehung. Sandra Hüller spielt eine erfolgreiche Unternehmensberaterin, die den Turbokapitalismus bis in die letzte Kunstfaser ihres Business-Kostüms verinnerlicht hat, der von Peter Simonischek kongenial verkörperte Vater ist ein hoffnungslos sozialromantisch veranlagter Alt-68er, der seiner Tochter durch sein clowneskes Auftreten das Geschäft vermiest.
Das ist natürlich ein Film, der dem kapitalismuskritischen Teil des Zeitgeistes Zucker gibt. Publikum und Filmkritiker der diesjährigen Filmfestspiele in Cannes waren jedenfalls begeistert und wollten die Festival-Jury geradezu dazu drängen, dem Film die Goldene Palme zuzusprechen. Aus Trotz entschied sich die Jury dagegen und zeichnete stattdessen »Ich, Daniel Blake« des britischen Regisseurs Ken Loach aus. Dagegen war aus linker Sicht nichts einzuwenden; im Gegenteil: die Kapitalismuskritik fällt in dem Porträt eines englischen Schreiners, der gegen die Ungerechtigkeiten der britischen Sozialbürokratie kämpft, im Vergleich zu »Toni Erdmann« um einen Zacken schärfer aus.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1035695.oscarverdaechtig.html