Istanbul. Im Prozess gegen die türkische Autorin Asli Erdogan hat ein Gericht am Donnerstag die Entlassung der Angeklagten und von zwei weiteren Beschuldigten aus der Untersuchungshaft angeordnet. Gegen sie wurde am ersten Verhandlungstag allerdings eine Ausreisesperre verhängt.
Ein weiterer Angeklagter bleibt nach dem Beschluss des Gerichts in Istanbul am Donnerstag in Untersuchungshaft. Der Prozess soll am 2. Januar fortgesetzt werden. Den insgesamt neun Angeklagten wird unter anderem Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Ihnen droht lebenslange Haft.
Hintergrund ist die Tätigkeit der Angeklagten für die inzwischen geschlossene pro-kurdische Zeitung »Özgür Gündem«. Die türkischen Behörden sehen das Blatt als Sprachrohr der PKK. Asli Erdogan hatte unter anderem Kolumnen für die Zeitung geschrieben und war im August bei einer Razzia gegen »Özgür Gündem« festgenommen worden.
Der Prozess gegen die türkische Schriftstellerin Asli Erdogan (49) und acht weitere Angeklagte wegen Terrorismusvorwürfen hat am Donnerstag in Istanbul begonnen. In dem umstrittenen Verfahren wird ihnen unter anderem Mitgliedschaft in der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft.
Vor dem Prozess hatte Human Rights Watch (HRW) der Türkei Missbrauch der Justiz vorgeworfen. Der »Missbrauch des Strafrechts auf Kosten der freien Meinungsäußerung«, trage nichts zum Kampf gegen Terrorismus in der Türkei bei, sagte die Türkei-Expertin von HRW, Emma Sinclair-Webb, am Mittwoch.
Im Ausnahmezustand, der nach dem Putschversuch von Mitte Juli verhängt worden war, darf Präsident Recep Tayyip Erdogan per Dekret regieren. 169 Medien und Verlage wurden seitdem nach Angaben von HRW geschlossen, darunter die Zeitung »Özgür Gündem«.
Sinclair-Webb kritisierte weiter: »2016 wird als Jahr in Erinnerung bleiben, in dem der Präsident der Türkei versuchte, alle kritischen und unabhängigen Medien im Land zum Schweigen zu bringen.«
Der prominente türkische Autor und regierungskritische Journalist Ahmet Sik ist unterdessen in Istanbul festgenommen worden. Das berichteten am Donnerstag sowohl Sik selber auf seinem Twitter-Account als auch die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Sik schrieb auf Twitter: »Ich werde festgenommen.« Er werde anscheinend wegen eines Tweets zur Staatsanwaltschaft gebracht. Nähere Gründe wurden nicht bekannt. Die Behörden gehen seit dem Putschversuch von Mitte Juli verstärkt gegen Regierungskritiker vor.
Der investigative Journalist und Autor gehört zu den prominentesten Kritikern der Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen, den Staatschef Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch Mitte Juli verantwortlich macht. Siks Buch »Die Armee des Imam« wurde 2011 noch vor der Veröffentlichung verboten, er selber saß ein Jahr lang in Untersuchungshaft. Sik kritisiert aber auch die jahrelange Förderung Gülens durch die Regierungspartei AKP und vor allem durch Erdogan bis zum öffentlichen Bruch 2013.
In einem dpa-Interview sagte Sik Mitte August: »Über die Gülen-Gemeinde zu diskutieren und gleichzeitig die Mitschuld der AKP verheimlichen, ist ein großes Versäumnis. Fethullah Gülen und Recep Tayyip Erdogan müssen wegen Bildung und Leitung einer Organisation zusammen vor Gericht gestellt werden.« dpa/nd