Wer wähnt, ein Fluss sei Allgemeingut und der Staat dürfe ihn nicht verhökern wie der Bauer ein Stück Vieh, irrt sich gründlich. Diese bittere Erkenntnis sorgt derzeit für Unmut im 5000 Einwohner zählenden Hitzacker. Im Bereich dieses niedersächsischen Städtchens fließt die Jeetzel in die Elbe. Die letzten 820 Meter des kleinen Flusses vor der Mündung in den großen Strom gehören dem Bund. Jenes Teilstück, einst vom Wasser- und Schifffahrtsamt genutzt, wird von diesem mittlerweile nicht mehr benötigt, soll zu Geld gemacht werden.
Ein Ansinnen, das viele Bürgerinnen und Bürger anfangs für einen schlechten Scherz hielten und sie fragen ließ: Einen »öffentlichen« Fluss verkaufen - geht das so einfach? Und: Hat der Bund das nötig angesichts eines 2015 erwirtschafteten Überschusses von zwölf Milliarden Euro?
Rechtlich sei der Verkauf sogar vorgeschrieben, erklärte ein Sprecher der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BImA) gegenüber »nd«. Seine Dienststelle habe den gesetzlichen Auftrag, »nicht betriebsnotwendiges Vermögen wirtschaftlich zu veräußern«. Auch Wasserflächen. Ob die Jeetzel der erste Fluss ist, dem das widerfährt? Angesichts von über 26 000 abgeschlossenen Kaufverträgen lasse sich das »nicht ohne unverhältnismäßig hohen Aufwand beantworten«, heißt es von der Behörde.
Ob und mit wem die Bundesanstalt einen Jeetzel-Kaufvertrag schließt, ist bislang offen. Das Stück Wasser kann durchaus in öffentlicher Hand bleiben, wenn es denn die Stadt Hitzacker erwirbt. Die möchte das gern tun, hat aber nicht die nötigen Mittel. Auch Hitzacker schleppt Schulden mit sich herum und die Kommunalaufsicht würde es nicht genehmigen, dass das Elbestädtchen für den Jeetzel-Abschnitt 95 000 Euro ausgibt. Denn so viel Geld wolle die BImA aktuell haben, heißt es aus dem Verein »Gemeinsam für Hitzacker«, der eine Privatisierung der Jeetzel verhindern will. Anfangs seien 88 600 Euro verlangt worden, doch dann habe die Anstalt auf einen gutachterlich belegten »touristischen Mehrwert« der Jeetzel verwiesen und den Preis erhöht.
Kann die Stadt dieses Geld nicht aufbringen, kommt das Teilstück des Flusses Ende März ins Bieterverfahren. Dann fällt es bei einer Versteigerung womöglich einem Käufer in die Hände, der - so eine Befürchtung in Hitzacker - für das Anlegen an einem Jeetzel-Steg hohe Gebühren kassiert. Das träfe zum Beispiel die dort ankernden Ausflugsschiffe und das beliebte Sofafloß.
Noch ist nicht bekannt, ob sich jemand für das Gewässer interessiert, um irgendeinen Nutzen aus ihm zu ziehen. Damit dies nicht geschieht, sammelt der Für-Hitzacker-Verein unter dem Motto »Rettet unsere Jeetzel« fleißig Spenden. Sie sollen der Stadt zufließen, damit sie trotz ihrer Finanznot als Käuferin auftreten kann. Bislang sind rund 40 000 Euro zusammen gekommen, freut sich Eike Weiss, Aktivist des Vereins.
Wird die geforderte Summe nicht erreicht, hoffen die »Jeetzel-Retter«, dass der Bund den Kaufpreis senkt. Sie setzen dabei auch auf die Unterstützung der örtlichen Bundestagsabgeordneten Hiltrud Lotze (SPD) und Julia Verlinden (Grüne) für das Ziel des Vereins. Seine Bemühungen werden auch aus anderen Regionen Deutschlands gefördert - durch Menschen, die von der Sache erfahren haben und mit ihrer Spende bekunden: Einen Fluss verkaufen wie ein Stück Vieh - das geht gar nicht.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1037253.ein-fluss-soll-verhoekert-werden.html