Gerade erst hat Samsung Electronics mit einem Quartalsplus von umgerechnet 7,7 Milliarden US-Dollar die höchsten Gewinne seit 13 Jahren verkündet, dem Geschäft mit Halbleitern und Displays sei Dank. Die Handy-, Computerchip- und Fernsehgerätesparte des südkoreanischen Konzernkonglomerates Samsung floriert, was auch der Blick auf den Aktienkurs zeigt: Seit Mitte Oktober ist er um gut 20 Prozent gestiegen.
Trotzdem ist in Suwon, 50 Kilometer südlich der Hauptstadt Seoul, wo die Elektroniksparte von Samsung seit zwei Jahren ihren Hauptsitz hat, kaum jemandem nach Freude zumute. Der mit Abstand größte Mischkonzern Südkoreas leidet unter einer tiefen Vertrauenskrise, seit das einst mit großem Brimborium eingeführte Prestigeprodukt Galaxy Note 7 kurz nach Verkaufsbeginn im Oktober vom Markt genommen werden musste, weil Geräte Feuer fingen und selbst eine Akku-Austausch-Aktion nicht half. Samsung hat schon um die 2,5 Millionen Käufer entschädigt, insgesamt sind 5,3 Milliarden Dollar Kosten entstanden. Weiterhin warnen Fluglinien davor, das Note 7 mit an Bord zu nehmen, und noch immer kursieren Witze über brennende Handys.
Am Montag wurden nun die Ergebnisse einer Untersuchung präsentiert, die Samsung im Herbst gemeinsam mit externen Unternehmen für Qualitätskontrolle eingeleitet hatte. Fast 700 Experten hätten bei der monatelangen Ursachenforschung mehr als 200 000 Smartphones und mehr als 30 000 Batterien überprüft, teilte Samsung mit. Ergebnis: Die Brände seien auf Design- und Produktionsfehler bei den Akkus zurückzuführen. Probleme mit der Hard- und Software seien auszuschließen. Der Konzern übernehme die Verantwortung für »unser Versagen, die Probleme beim Batterie-Design und beim Produktionsprozess vor der Markteinführung des Note 7 zu erkennen und bestätigen«, sagte der Leiter der Smartphone-Sparte, Koh Dong Jin. Vorgestellt wurde auch ein achtstufiges Verfahren, das solchen Unfällen in Zukunft vorbeugen soll.
Fast noch mehr als auf die technischen Gründe warten viele Koreaner auf dieses neue Managementsystem. Von allen Seiten war im Herbst zu hören, dass eine wichtige Ursache für die Krise in den Hierarchien innerhalb des Unternehmens sowie gegenüber Zulieferern zu finden sei. Ehemalige Samsung-Angestellte berichteten, es sei praktisch unmöglich, die Zielvorgaben der Vorgesetzten zu hinterfragen, selbst wenn diese eigentlich unerreichbar seien. So soll etwa die Austauschaktion nach den ersten Bränden viel zu hektisch abgelaufen sein. Um den Schaden zu minimieren, habe es an Sorgfalt gefehlt.
Dass der Aktienkurs von Samsung Electronics über die letzten Monate dennoch gestiegen ist, erklärt sich vor allem durch die übrigen Geschäftsfelder. Verbraucherelektronik, von Kühlschränken über Tablets bis zu Fernsehern, verkauft sich gut, die erfolgreichen Halbleiter und Displays kommen hinzu. Um den Schaden mit den Smartphones auszugleichen, wird Samsung in den kommenden Monaten ein neues Modell der prestigereichen S-Serie präsentieren. Es gebe derzeit aber keine Pläne, das S8 wie sonst üblich schon beim Branchentreff Mobile World Congress in Barcelona Ende Februar vorzustellen, sagte Koh.
Aber selbst wenn sich die Handysparte schnell erholen sollte, bleiben zahlreiche offene Fragen, die sogar über Samsung hinausreichen. Mittlerweile ist Konsens, dass die südkoreanische Volkswirtschaft zu stark von ein paar Konglomeraten, genannt Chaebols, abhängt, zu denen unter anderem auch Hyundai und LG gehören. Allein die Samsung-Gruppe macht rund 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der elftstärksten Volkswirtschaft der Welt aus. So kritisierten im Lichte der Smartphonekrise selbst konservative Zeitungen, dass die Existenz unzähliger Zulieferer auf dem Spiel stünde.
Die mittlerweile wegen einer Korruptionsaffäre amtsenthobene Präsidentin Park Geun Hye hatte deshalb Förderprogramme für Start-ups ins Leben gerufen, um die Wirtschaftskraft des Landes auf mehr Schultern zu verteilen. Jungunternehmer werfen den Chaebols oft vor, dass sie entweder deren Ideen klauen oder die Gründer vom Markt drängen, um ihre Vorherrschaft zu sichern. Insbesondere Samsung wird kritisiert, sich erst dann für neue Ideen zu interessieren, wenn diese schon Geld abwerfen.
Es gibt noch einen anderen Grund, warum bei Samsung dieser Tage wenig Freude aufkommt. Gegen den Konzernerben, Vizechef Lee Jae Yong, wurde Mitte des Monats von der Staatsanwaltschaft Haftbefehl beantragt, nachdem herausgekommen war, dass Samsung 43 Milliarden Won (rund 34 Millionen Euro) an eine Stiftung gezahlt hat, die einer persönlichen Freundin von Präsidentin Park zugeordnet wird. Samsung wird verdächtigt, sich mit dem Geld die Genehmigung einer Übernahme erkauft zu haben. Zwar hat ein Gericht mittlerweile wegen Mangels an Beweisen den Haftbefehl abgelehnt. Doch die Geschichte ist für Samsung noch lange nicht zu Ende: Am Wochenende forderten Zehntausende bei einer Demonstration in Seoul unter anderem die Inhaftierung Lees wegen Korruption.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1039513.samsung-in-akkuter-not.html