nd-aktuell.de / 26.01.2017 / Kultur / Seite 17

Eierstöcke aus Stahl

Fahri Yardim und Christian Ulmen über das neue Comedyformat »Jerks« auf Maxdome

Fahri Yardım, Christan Ulmen - Sie sind auch privat miteinander befreundet und haben in der Serie die gleichen Namen wie Sie auch in echt heißen. Steht deshalb gleich im Vorspann, »Jerks« basiere auf wahren Begebenheiten?

Ulmen: Viele Geschichten, die wir erleben, sind uns wirklich passiert, werden aber mit Geschichten des dänischen Originals vermengt. Es würde der Serie den Zauber nehmen, wenn ich verraten würde, welche der Szenen wir wirklich erlebt haben und welche nicht. Das rätseln darüber, ob Fahri diese oder jene Peinlichkeit echt widerfahren ist, macht ja Spaß. Yardım: Wer uns ein bisschen besser kennt, weiß am Ende des Tages, dass wir im Umgang mit dem alltäglichen Leben ganz schöne Idioten sind. Ulmen: Das Wort »Idiot« trifft es nur halb: der englische Begriff »Jerk« beschreibt nämlich sowohl den aktiven Idioten, also ein offensiv handelndes Arschloch, als auch einen eher defensiv handelnden, der unschuldig in irgendwas rein stolpert. Fahri ist öfter Typ eins, ich bin meistens Typ zwei. Yardım: Hört, hört! Ulmen: Doch, doch! Wir beide wollen auf unserer Suche nach Harmonie immer alles richtig machen und scheitern genau daran. Das macht uns zu Trotteln. Weil wir aber nie daraus lernen, sind wir auch Ärsche, unterm Strich also Jerks. Das Bedürfnis, es allen recht machen zu wollen und dabei das genaue Gegenteil zu bewirken, ist dabei ein viel stärkeres Motiv als die vulgäre Wort- und Bildwahl.

Wer die ersten Teile sieht, könnte dennoch den Eindruck gewinnen, dass es genau darum geht bei den »Jerks« - um geschlechtsspezifische Zoten von Sex bis Fäkalien.

Ulmen: Ich rieche in der Frage einen gewissen Dünkel. Wer reflexartig »zotig!« ruft, sobald sich den Themen Sexualität oder auch Stuhlgang peinlich-lustig genähert wird, der verkennt die Tiefenfähigkeit von Humor. Ich gehe noch weiter: der hat keinen Humor. Es geht ja vor allem um zwei Stadtneurotiker modernen Typs. Yardım: Die Saftigkeit wird ja nicht ausgestellt, sie beschreibt Dinge wie Schamgefühle oder Selbstwahrnehmung. Wenn man wie Christian auf ein Geschäft aufpasst, aufs Klo muss, das allerdings gerade repariert wird, und da steht ein Katzenklo, dann ist das für mich nicht zotig, sondern die Verarbeitung urmenschlicher Bedürfnisse. »Kacken« ist da nur ein anderer Begriff für »Druck«, unter dem die Protagonisten permanent stehen. Ulmen: Eine Zote wäre, wenn er ins Katzenklo macht, um seine Freundin reinzulegen oder einen doofen Film von Adam Sandler nachspielen will. Wenn er sich jedoch aus einer realistischen Notlage befreien muss, und die einzige Abhilfe die Nutzung eines Katzenklos ist, dann ist das eine Tragödie, in der wir verschämt über die Not lachen, nicht über die Kackwurst. Yardım: Und genau so ist das absolut mein Humor.

Könnte der auch im ZDF laufen oder ist es passgenau fürs Streaming gemacht?

Yardım: Als erste Video-on-Demand-Serie aus Deutschland ist sie genau da richtig, wo sie läuft. Fürs ZDF wäre vermutlich der Konfrontationsgrad zu hoch, die Zuspitzung nach oben und unten. Aber ich will nicht zu sehr zwischen alt und neu differenzieren. Wie das digitale hat das lineare Fernsehen Vor- und Nachteile. Ich persönlich liebe es, mich unterhalten zu lassen wie Gott es erschaffen hat - einfach einschalten und genießen, was andere zusammengestellt haben. Zugleich aber genieße ich die Entscheidungsfreiheit einer Video-Plattform. Ulmen: Es ist ein typisches Streaming-Format, das sich substanziell unterscheidet, unterscheiden muss vom klassischen Fernsehangebot. Man darf aber nicht vergessen, dass es auch bei ProSieben läuft. Später zwar und erst nachts, aber das hat eben mit der Freiwilligen Selbstkontrolle der Sender und der Andersartigkeit der Privatkanäle zu tun. Yardım: Dass es einen Sender gibt, der sich der Angst des Mediums so widersetzt wie dieser, finde ich fantastisch. Die haben Eierstöcke aus Stahl.