Kopf an Kopf
Die Spitzenkandidaten von SPD und CDU liegen in Schleswig-Holstein fast gleichauf
Im Bundesland voller (vergangener) Politaffären haben der amtierende Regierungschef Torsten Albig (SPD) und sein Herausforderer Daniel Günther von den Christdemokraten sich ein Rededuell auf Augenhöhe geliefert. Hervorzuheben gilt, dass dies in einem fairen Stil passierte - keine verletzenden Worte, sondern immer an der Sache orientiert. Die jüngste Umfrage im Auftrag des NDR aus der Vorwoche sieht beide Parteien nur noch zwei Prozentpunkte auseinander: die Sozialdemokraten bei 33 Prozent, die CDU bei 31 Prozent. Genau diese Prozentzahl bereitet aber dem CDU-Spitzenmann auch Bauchschmerzen, denn 31 Prozent aus der Meinungsumfrage gaben an, den Spitzenkandidaten gar nicht zu kennen. Mit Wahlkampfterminen am Fließband will er dem Bekanntheitsdefizit im Schlussspurt begegnen.
Da musste er in Lübeck vor den Fernsehkameras versuchen, durch einen offensiveren Stil Boden gut zu machen. Das gelang ihm bei einigen Themen auch, während Albig mit dem bis dato größeren Beliebtheitswert vorwiegend darauf bedacht sein musste, keine Fehler zu begehen; Fußballer würden vom Verwalten eines Vorsprungs sprechen. Die Einnahme dieser Rolle hatte zur Folge, dass der Ministerpräsident sich doch einige Male in die Defensive drängen ließ und gerne von anderen Verantwortlichen redete: entweder die Kommunen, der Bund oder die CDU/FDP-Vorgängerregierung, obwohl konkret das eigene Handeln abgefragt wurde. Überhaupt operierten beide Politprofis mit vielen Statistiken und Zahlen, etwa bei Straßenneubau- und -sanierungskilometern in der jetzt auslaufenden Legislaturperiode, die sich widersprachen und bestimmt nicht immer einem Faktencheck standhalten dürften.
In der Oppositionsrolle zeigt sich Günther monetär spendabler, wenn es um Wahlversprechen geht. Er will dort Geld in die Hand nehmen, wo seine Partei sich in der Vergangenheit unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen eher durch Kürzungen und Streichungen hervorgetan hat. Diese Glaubwürdigkeitslücke wird auch nicht mit dem Verweis auf jetzt sprudelnde Steuereinnahmen beseitigt. Aus dem Publikum bekommt Günther so auch prompt die Frage gestellt, wie er das im Haushaltskonsolidierungsland Schleswig-Holstein finanziell realisieren will.
Überhaupt: Antworten auf konkrete Probleme, die aus dem Kreis der 140 Besucher an die beiden Politiker herangetragen wurden, blieben eher im Vagen. Wie die Schließung von Geburtenstationen, die Verbesserung der Kita-Arbeitsbedingungen und die Ausweitung von Kita-Öffnungszeiten. Zu vielen wichtigen Themen wie der künftige Energieversorgung und dem heftig umstrittenen Windkraftausbau, zu Sorgen im universitären Bereich, im Naturschutz oder über zukünftige Agrarpolitik wurden beide gar nicht erst befragt.
Albig bekräftigte seine Absicht, sein Regierungsbündnis mit Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband fortsetzen zu wollen. Günther sieht für den Fall, stärkste Kraft zu werden, ebenfalls Bündnisoptionen für sich, wobei er mit Grünen und FDP liebäugelt. Albig bekam von seinem Kontrahenten abschließend die Frage gestellt, wie er mit einer Zusammenarbeit mit den aktuell in Umfragen bei vier Prozent liegenden LINKEN halten würde, worauf er entgegnete, dass sich diese Frage nicht stelle, weil diese gar nicht in den Landtag einziehen würden.
Für größere Aufregung sorgt nun im Nachhinein allerdings ein »Schlampen-Vorwurf« im TV-Duell. Die Landes-CDU forderte am Mittwoch eine öffentliche Distanzierung von Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) und SPD-Landeschef Ralf Stegner. Gabriele Schwohn, Mitglied des Kreisvorstands der SPD-Flensburg, hatte am Dienstagabend als Zuschauerin des TV-Duells im Saal CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther vorgeworfen, sie als »ver.di-Schlampe« beschimpft zu haben. Günther wies dies vor laufender Kamera vehement zurück. Der NDR habe unmittelbar nach der Sendung im Internet klargestellt, »dass die Dame ihre Behauptung nicht belegen konnte«, sagte CDU-Landesvize Tobias Koch. Schwohn war am Mittwoch für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Laut CDU behielt sich Günther rechtliche Schritte vor. Die SPD teilte mit, sie beteilige sich an »derlei persönlichen Auseinandersetzungen grundsätzlich nicht«. Mit dpa
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