Bei besonderen Anlässen macht auch die Textilabteilung der Frankfurter gerne Überstunden - und so trug Niko Kovac deren neuestes Produkt schon halb eins in der Nacht zur Schau. Das hochklassige Elfmeterschießen als Kontrapunkt zu einem weitgehend öden Halbfinale lag da erst eine gute Stunde zurück. Doch der Trainer der Eintracht, die nach dem 1:1 nach Verlängerung beim Nervenspiel vom Kreidepunkt mit 7:6 triumphiert hatte, steckte bei seinen letzten Erörterungen zum Spiel bereits in einem schwarzen Final-Shirt.
Darauf zu sehen: Das Frankfurter Vereinslogo und die Skyline des Endspielortes Berlin - über der ein Adler, Klubsymbol der Eintracht, die Flügel ausbreitet. Der letzte wichtige Termin der Saison, der 27. Mai, war ebenfalls aufgedruckt. Und der 45-jährige Kovac sagte zu später Stunde in stiller Ehrfurcht: »An dem Tag werde ich in meiner Heimatstadt ein Pokalfinale austragen dürfen.« Knapp 15 Monate nachdem er den heiklen Job in der Bankenmetropole von Armin Veh übernommen hat.
Seinen ernüchternden Einstand mit Frankfurt erlebte Kovac bei einem 0:3 im Borussia-Park - dort, wo er nach überstandener Relegation im Mai 2016 nun den größten Erfolg der Hessen seit deren letztem Pokaleinzug vor elf Jahren feierte. Und dort, wo ein Ex-Gladbacher den alten Kameraden den K.-o.-Schlag verpasste: Branimir Hrgota, Schütze des letzten von 16 Elfmetern in einem dramatischen Showdown.
»Ich wollte erst nach rechts schießen, sah dann aber, dass Yann Sommer ganz früh nach rechts geht. Also habe ich links reingeschossen«, beschrieb der Schwede die entscheidenden Sekunden im Duell mit Gladbachs Keeper. Sein erster Blick nach dem Glücksschuss ins Finale fiel dann auf Lukas Hradecky, den eigenen Torwart. Hrgota wollte auf den langen Finnen mit der lauten Stimme zulaufen, doch der wies ihn an: Als Erstes geht’s ab zu unseren Fans. »Es war ein weiter Weg, aber wir sind alle zu ihnen gesprintet«, rekapitulierte Hrgota, bat nach dem 120-minütigen Abnutzungskampf plus Zugabe aber um Verständnis für das gedrosselte Tempo beim Jubellauf: »20 km/h gingen da gerade noch.«
Vor seinem Wechsel zur Eintracht im letzten Sommer spielte der gebürtige Bosnier lange für Gladbach, in die Ruhmeshalle des Rautenklubs führte ihn die ausgedehnte Episode aber nicht: 69 Ligaspiele in vier Jahren waren okay, die sieben Tore für einen Stürmer eher nicht. Auch sein Engagement in Frankfurt verlief bis dato nicht überwältigend - und in dieses Muster passte zunächst auch das Halbfinale an seiner einstigen Wirkungsstätte.
»Hätte Brane alle Chancen genutzt, die er bei uns schon hatte, hätte er jetzt Minimum 15 Tore auf dem Konto. Er ist ein Bursche, der noch lernen muss - und lernen wird. Dabei war es wichtig, dass er das entscheidende Tor geschossen hat«, sagte Kovac und ahnte: »Es gibt nichts Schöneres für ihn, als dass ihm das gegen seine früheren Kollegen gelungen ist.«
Die Bestätigung des 24-Jährigen folgte prompt. Denn bei allem Respekt, den Hrgota gegenüber der Borussia bekundete, galt: »Natürlich freue ich mich besonders, dass es gegen Gladbach war, dass ich meinen alten Verein wegschießen konnte. So ist das eben.« Zumal der grenzenlose Einsatz, mit dem sich die Gäste ins Finale rackerten, auch an seinem Körper Spuren hinterlassen hatte. »Meine Wade hat mir Probleme gemacht. Ich war eigentlich schon ganz tot«, berichtete Hrgota. »Ich musste zwar nicht überredet werden, einen Elfmeter zu schießen. Aber ich habe gesagt: Nicht als Letzter, irgendwo dazwischen.«
Dieser Plan schlug krachend fehl. Sehr zur Freude von Niko Kovac. Mit den Bayern gewann der 83-malige kroatische Nationalspieler 2003 das Double, er weiß also, wie sich so ein Pokalsieg in Berlin anfühlt. »Vor dem Spiel hier haben wir den Jungs einen schönen Videoclip zusammengeschnitten. Träume und Gedanken an etwas Positives können so viel bewirken. Am Ende hatte ich das Gefühl, dass meine Mannschaft noch ein bisschen mehr ins Endspiel wollte als die Gladbacher«, betonte Kovac vor dem Gang in die kalte niederrheinische Nacht.
Die Rolle des Außenseiters ist seinem Team gegen die Bayern oder Dortmund bereits sicher. Beim Abschied aus dem Borussia-Park sagte der menschenfreundliche Dompteur der Eintracht fürs Erste aber nur: »Man muss einfach daran glauben.«
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1049310.auferstanden-von-den-toten.html