Daniel Günther Superstar
Der Wahlsieger von Schleswig-Holstein hat auch seine eigene Partei überrascht - jetzt muss er Können zeigen
Das Echo war groß: Sogar die »New York Times« wunderte sich über den Wahlsieg der CDU in Schleswig-Holstein am vergangenen Sonntag und über deren Spitzenmann Daniel Günther. Aber Moment mal: Daniel who? Bei aller Unions-Euphorie über den 43-Jährigen steht dem nach dem Wahltriumph die wahre Bewährungsprobe bei den nächste Woche startenden Findungsgesprächen für eine künftige Regierung an der Küste noch bevor - Ausgang ungewiss!
Bis zum Wahlsonntag war der CDU-Spitzenkandidat bundesweit ein Nobody. Dann der Urnengang, der Wahlsieg und eine Partei, die ihr Glück kaum fassen konnte. Zu stellen ist die Frage, wie viel Können dahinter steckt, oder anders formuliert: Hat die CDU durch eigene Stärke gewonnen oder nur von Fehlern und Schwächen des politischen Gegners - in erster Linie die SPD - profitiert?
Im Wahlkampf ist der Spitzenkandidat der Christdemokraten jedenfalls augenscheinlich unterschätzt worden. Erst im vergangenen Herbst wurde der Günther-Zug aufs Gleis gestellt. Die Partei beschäftigte sich bis dahin inklusive mehrerer Personalwechsel auf dem Regiestuhl mehr mit sich selbst als mit dem Gedanken, die Kieler Staatskanzlei zu erobern. Dem neuen Führungsgesicht der Nord-CDU blieb damit eigentlich viel zu wenig Zeit, sich im Land bekannt zu machen.
Genau das zeigten Meinungsumfragen bis in den März hinein. Doch der gewagte Vorstoß, seine Partei ohne Rückkopplung mit der Basis auf die zentrale Wahlkampfforderung nach einem Abitur nach 13 Jahren (G 9) zu trimmen, obwohl das Turbo-Abi G 8 von der CDU eingeführt wurde, hat sich als richtiger Schachzug erwiesen.
Dazu setzte man auf die Themen marode Infrastruktur und Windkraftausbau, und lag auch damit richtig. Um nicht über Gebühr womöglich der AfD Rückenwind zu verleihen, klammerte man die Innere Sicherheit weitgehend aus. Andernorts wird seitens der Union da meist ein gänzlich anderer Kurs gefahren, weil man Kompetenz bei Law & Order suggerieren möchte.
Im TV-Duell mit dem Ministerpräsidenten Torsten Albig knapp zwei Wochen vor der Wahl zeigte sich das Mitglied des FC Bayern München offensiver als sein SPD-Widersacher, schlagfertig und forsch. Die Anschuldigung einer Gewerkschaftsfunktionärin mit SPD-Parteibuch in der Sendung, dass Günther sie einmal bei einer Ausschusssitzung im Landtag beleidigt habe, wies dieser sofort zurück. Entsprechende Belege der »Anklägerin« sind bis heute nicht vorgelegt worden. Das Szenario spielte Günther auf jeden Fall in die Karten. Im Endspurt bis zum Wahltermin ist der Eckernförder Politikwissenschaftler, Katholik und frühere Handballer dann an der SPD vorbeigezogen.
Auch seinen Wahlkreis hat er gewonnen. Im Vergleich zu 2012 holte er sogar 7,5 Prozent mehr, während SPD-Konkurrentin Serpil Midyatli, immerhin stellvertretende Landesvorsitzende, schwächelte. Lagen 2012 zwischen beiden 2,4 Prozent, sind es diesmal 16,5 Prozent!
Dennoch: Das ausgegebene Wahlziel für seine Landespartei, 35 Prozent plus x, hat er mit 32 Prozent verfehlt. Bis zur alten Stärke ist es auch für den neuen Hoffnungsträger noch sehr weit. So holte die CDU bei der Bundestagswahl 2013 rund 168 000 Stimmen mehr als beim aktuellen Urnengang, und das, obwohl Günther & Co. es diesmal schafften, rund 51 000 Nichtwähler auf ihre Seite zu bringen. Ein weiteres Plus der CDU bei der Wahl vom vergangenen Sonntag: Sie gewann 25 Direktmandate und damit vier mehr als noch 2012.
Seit die CDU-Parteivorsitzende Angela Merkel 2005 Bundeskanzlerin geworden ist, konnte aus ihrer Partei niemand mehr ein bei Wahlen verlorenes Bundesland zurückerobern. Diese »schwarze Serie« hat Günther nun durchbrochen. Auch wenn der Ministerpräsidentenwechsel noch nicht ausgemacht ist, hat er sich innerhalb der Union mit seinem Ergebnis plötzlich ein gutes Standing geschaffen. Es wird ihm attestiert, für eine modernere CDU zu stehen. So ist er beispielsweise kein Blockierer der rechtlichen Gleichstellung der Homo-Ehe.
Der Machtpoker um das Amt des Ministerpräsidenten ist für Günther noch lange nicht entschieden. Er würde unter allen Länderchefs demnächst der jüngste sein, aber das wäre dennoch nichts für die Geschichtsbücher, denn Uwe Barschel kletterte 1982 bereits mit 38 Jahren auf den Landesthron.
Der sportliche Hobbyläufer Günther muss nun Ausdauerqualitäten beweisen, wenn es in die Sondierungsphase für ein künftiges Regierungsbündnis geht. Erst ein Verhandlungserfolg mit Wolfgang Kubicki von der FDP und dem grünen Robert Habeck für eine Jamaika-Koalition oder mit Ralf Stegner zur Bildung einer allseits ungeliebten Großen Koalition wäre Günthers über das Ergebnis vom 7. Mai hinausgehende politische Meisterstück.
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