Fluchtursachen-Plan der Regierung ist eine »Mogelpackung«
Hilfswerk »Brot für die Welt«: Europäische Staaten schrecken nicht vor einer Zusammenarbeit mit autoritären Regimen zurück
Berlin. Das Hilfswerk »Brot für die Welt« hat die als Fluchtursachenbekämpfung deklarierten Pläne der Bundesregierung kritisiert. Sie seien eine »Mogelpackung«, gar »gigantischer Etikettenschwindel«, sagte die Präsidentin der evangelischen Entwicklungshilfeorganisation, Cornelia Füllkrug-Weitzel, am Donnerstag in Berlin. Sowohl die Bundesregierung als auch die EU sähen in der Bekämpfung von Fluchtbewegungen vor allem in den Transitstaaten eine Bekämpfung der Fluchtursachen. Die müsse jedoch in den Herkunftsländern ansetzen, sagte Füllkrug-Weitzel.
Sie kritisierte, dass Vertreter europäischer Staaten dabei auch vor einer Zusammenarbeit mit autoritären Regimen wie in Ägypten, Libyen und dem Sudan nicht zurückschreckten. Mithilfe sogenannter Migrationspartnerschaften mit afrikanischen Staaten, die auf der Route vieler Flüchtlinge liegen, versucht die EU, Asylsuchende von der Fahrt über das Mittelmeer Richtung Europa abzuhalten. Bei einem Gipfel in Paris Anfang der Woche verständigen sich europäische und afrikanische Staats- und Regierungschefs unter anderem darauf, dies auszubauen.
Füllkrug-Weitzel warnte davor, die Entwicklungszusammenarbeit zunehmend in den Dienst der Migrationskontrolle zu stellen. Ebenso bereiteten ihr Pläne Sorge, für Entwicklungshilfe bestimmte Mittel zugunsten von Sicherheitsmaßnahmen umzuwidmen.
Von der künftigen Bundesregierung forderte die Theologin, dass das ganze Kabinett in puncto nachhaltige Entwicklung an einem Strang ziehe. In der Vergangenheit habe etwa das Entwicklungsministerium kleinbäuerliche Landwirtschaft gefördert und das Bundeslandwirtschaftsministerium mit seiner Unterstützung für Exporte zugleich lokalen Bauern Absatzmärkte genommen. Als positiv in der ablaufenden Legislaturperiode wertete Füllkrug-Weitzel das Engagement der Bundesregierung für das Pariser Klimaschutzabkommen und der UN-Nachhaltigkeitsziele. Deutschland habe bei beiden eine Vorreiterrolle gespielt.
»Brot für die Welt« legte am Donnerstag seine Bilanz für das vergangene Jahr vor. Demnach gingen 2016 mehr als 61,7 Millionen Euro an Spenden und Kollekten ein. Das war ein Plus von 4,2 Millionen Euro (7,3 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. Die Schwesterorganisation Diakonie Katastrophenhilfe hatte laut ihrer kürzlich vorgestellten Bilanz im vergangenen Jahr ein Drittel weniger an Spenden erhalten.
Zur Begründung sagte Füllkrug-Weitzel, das Minus bei der Diakonie Katastrophenhilfe, die in Notfällen humanitäre Unterstützung leistet, liege vor allem an den im Vorjahr zumindest weniger wahrgenommenen Katastrophen. Im Plus für das Entwicklungshilfswerk »Brot für die Welt« sieht sie eine zunehmende Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema, nicht nur in den Kreisen der Kirchen, die das Hilfswerk traditionell stark unterstützen.
Insgesamt standen »Brot für die Welt« 2016 rund 273,5 Millionen Euro zur Verfügung. Fast die Hälfte davon kam aus öffentlichen Quellen, etwa vom Bundesentwicklungsministerium. 54,4 Millionen Euro stammten aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes und damit aus Kirchensteuermitteln.
Gut 91 Prozent der Gesamtsumme investierte das Hilfswerk für Projekte zur Überwindung von Armut und Hunger sowie zur Förderung von Demokratie und Menschenrechten. Der Rest wurde für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit (2,2 Prozent) und Verwaltung (6,5 Prozent) verwendet. Neben den klassischen Schwerpunkten förderte »Brot für die Welt« nach eigenen Angaben 2016 auch Integrationsprogramme für Flüchtlinge und Binnenvertriebene unter anderem in Mali, Libanon und Jordanien. epd/nd
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