nd-aktuell.de / 05.09.2017 / Berlin / Seite 12

Als Sozialist Position beziehen

Auf den Neumitgliedertreffen der Linkspartei in Berlin-Mitte herrscht Aufbruchstimmung

Philip Blees

»Willst du bei mir Mitglied werden?« steht auf dem großen Plakat am Karl-Liebknecht-Haus in Mitte. Die Linken, die am Freitagabend die Veranstaltung in dem Haus besuchen, haben diese Frage vor Kurzem mit einem »Ja« beantwortet. Denn hier findet an diesem Abend das Neumitgliedertreffen der Partei statt.

Der Rosa-Luxemburg-Saal der Parteizentrale der Linkspartei ist gut gefüllt. Die Plätze sind alle besetzt und es stehen noch Neumitglieder hinten im Raum, während Landesgeschäftsführer Sebastian Koch die Veranstaltung eröffnet. »Wir freuen uns über jeden Einzelnen«, sagt er. Das heutige Neumitgliedertreffen steht ganz im Zeichen der bevorstehenden Wahl. Rund 500 neue Mitglieder sind in diesem Jahr der LINKEN beigetreten. Eine große Zahl für eine Partei, für die im Land Berlin 7500 Menschen einen Beitrag zahlen. »Das ist im Wahlkampf immer so«, sagt Koch. Doch in den letzten Jahren gab es einen größeren Zuwachs als zuvor. Die weltpolitische Lage habe viele Leute dazu gebracht, in eine Partei einzutreten, heißt es. Themen wie die Flüchtlingspolitik, die Türkei oder auch die Wahl von US-Präsident Donald Trump würden mobilisierend wirken. »Da profitieren wir«, sagt Koch.

Doch auch die Landespolitik ist auf dem Treffen Thema. Heiß diskutiert wird der bevorstehende Volksentscheid zu Tegel. Die Linke ist für die Schließung des Flughafens. Landesvorsitzende Katina Schubert fasst die Position der Partei zusammen: Lohndumping bei Ryanair und Lärmbelastung der Anwohner seien nur ein Teil der Kritikpunkte. »Wir können hier einen richtigen antikapitalistischen Wahlkampf führen, Genossinnen und Genossen«, sagt sie, und das Publikum applaudiert begeistert.

Die großen Themen sind allerdings nicht die einzigen Gründe für eine Mitgliedschaft. Vielen bereitet der aktuelle Rechtsruck Sorgen. Es spielen aber auch persönliche Erfahrungen eine Rolle, die zu einem Eintritt führen. »Ich war acht Jahre lang beim Bund«, sagt Peer Haschke. Danach sei für den 32-Jährigen, der auch in Afghanistan war, klar gewesen, dass er in eine Friedenspartei eintreten möchte. »Da hatte ich nicht viel Auswahl«, sagt er zu seiner Entscheidung für die Linkspartei. Diese sei die einzige Partei, die sich konsequent für den Frieden einsetzt. Für andere ist der Eintritt in die Partei eher eine Frage der Geisteshaltung. »Weil ich Idealist bin«, sagt Eric Bouché. Er wollte sich nicht mehr rausreden und hat seinen schon lang gefassten Entschluss, in die Linkspartei einzutreten, in die Tat umgesetzt: »Es wird langsam Zeit, was zu tun.«

Doch auch ganz alltägliche Situationen können dazu führen, dass sich Menschen dazu entschließen, in eine Partei einzutreten. Robert Buchholz entschloss sich, Position zu beziehen und der LINKEN beizutreten, als er gerade arbeitete. »Ich habe einen Geflüchteten gefahren«, sagt der Arzt. Er hielt es für ungerecht, einen Geflüchteten vom Krankenhaus wieder in die Abschiebehaft zu fahren und sprach die begleitenden Polizeibeamten darauf an. Daraufhin begann der inhaftierte Mensch zu weinen. Das berührte den 51-Jährigen, und er beschloss, politisch für Geflüchtete einzutreten. »Ich wäre nicht in die SED eingetreten«, sagt der Ost-Berliner. Doch er wünscht sich nun wieder ein solidarischeres Zusammenleben.

Zusammen sollen die Neumitglieder mit den Älteren nun in den Endspurt zur Bundestagswahl gehen. Petra Pau, Bundestagsvizepräsidentin und Berliner Spitzenkandidatin, sieht an dieser Stelle einen wichtigen Wegweiser, wie es in Deutschland weitergehen soll. »Wahlkampf kann auch Spaß machen«, sagt sie. Dennoch sieht sie bei der aktuellen Politik nichts mehr in Gefahr als den ersten Artikel des Grundgesetzes. Dagegen möchte Pau ein Zeichen setzen: »Unser Motto: Nicht nur Gerechtigkeit, sondern auch Frieden für alle!«