Nach dem großen zweitägigen Bürgerfest zum 3. Oktober in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt, das nach amtlichen Angaben insgesamt 510 000 Menschen anlockte, haben am Mittwochvormittag die Aufräumarbeiten begonnen. Zwar ist die Innenstadt wieder für den Individualverkehr befahrbar, doch der Abbau von Barrieren, Bühnen und Zelten dürfte noch mehrere Tage dauern. Nach Angaben aus der Mainzer Staatskanzlei hatte das Land für die Abwicklung der Großveranstaltung Ausgaben von 3,2 Millionen Euro veranschlagt. Dazu kommt eine Million Euro, die als Sponsorengelder von Konzernen, Banken, Versicherungen und Sendeanstalten geflossen sind.
Am Mittwoch endete für die Anwohner der Mainzer Innenstadt ein tagelanger Ausnahmezustand, der das Alltagsleben stark beeinträchtigte. So spricht etwa Tupac Orellana, Geschäftsführer der Linksfraktion im Mainzer Rathaus, von »massiven Schikanen und Einschränkungen« in den Tagen vor der Großveranstaltung. Vielfach habe die Polizei etwa Bürger aufgefordert, nicht an die Fenster zu gehen. Der Betrieb von Straßenbahnen sei eingeschränkt worden. Am Freitag habe eine Kassiererin in einem Supermarkt einer Kundin gesagt: »Wir wissen nicht, ob wir am Montag offen haben.«
Für Orellana ist mit dem Abräumen der letzten Überreste noch längst nicht alles aufgearbeitet. »Ein völlig aufgeblasenes Fest, das alle Maße sprengt«, so sein Urteil über das von der SPD-geführten Landesregierung ausgetragene Bürgerfest. Seine Fraktion möchte nun in einer großen Anfrage von der Stadtverwaltung wissen, ob die als Zuschuss zu der Großveranstaltung im Haushaltsplan beschlossenen 350 000 Euro tatsächlich ausgereicht haben oder ob im Endeffekt viel höhere Kosten an der Stadt hängen bleiben werden. Schließlich stehe Mainz unter der strikten Regie des kommunalen Entschuldungsfonds und habe nicht einmal genug Geld, um etwa Brunnen zu betreiben und eine heruntergekommene Infrastruktur zu sanieren.
»Soziale Einrichtungen gehen kaputt und die Kulturszene hat keine Räume mehr«, sagt Orellana. »Die Stadt spart sich kaputt, aber für so ein Larifari ist jede Menge Geld da.« So seien in der Innenstadt vor dem Fest hektisch einige kosmetische Reparaturen vorgenommen worden, um den Besuchern eine »Disneylandversion von Mainz« zu präsentieren. »So sieht die Stadt nicht aus. Zum ehrlichen Bild gehören auch Opfer der Sparpolitik, Wohnungslose, Graffiti, Dreck und Verwahrlosung.«
Hinter dem Antrag im Stadtrat steckt auch die Vermutung, dass viele der anfallenden Kosten für die gewählten Stadtratsmitglieder nur schwer einsehbar sein könnten, weil sie letztlich nicht im städtischen Haushalt, sondern in den Bilanzen verschachtelter stadtnaher Unternehmen auftauchen - so etwa der städtischen Verkehrsbetriebe oder der Stadtwerke.
Orellana bemängelt auch die strikten polizeilichen Absperrungen am Dienstag rund um den Festgottesdienst und den Festakt im Beisein hoher staatlicher Repräsentanten. Offenbar habe man aus Angst vor wütenden Protesten wie in Dresden vor einem Jahr das Bad in der Menge gemieden.
Unter dem Motto »Diesem Deutschland keine Feier« hatte ein Aktionsbündnis für Dienstag zu einer Protestdemonstration durch die Innenstadt aufgerufen. Nachdem die behördlichen Auflagen jedoch nur einen Umzug durch menschenleere Nebenstraßen zuließen, beließen es die Veranstalter bei einer Kundgebung vor dem Hauptbahnhof, die von starken Polizeikräften flankiert war.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1065764.was-das-feiern-die-mainzer-so-kostet.html