nd-aktuell.de / 09.10.2017 / Politik / Seite 1

»Katalonien ist die Schlacht von ganz Europa«

Spaniens Premier Rajoy erteilt Dialog eine Absage und sieht sich in seiner Haltung von Brüssel gestützt

Martin Ling

»Ich bin der einzige Spanier, der nicht sagen kann, was er machen wird, weil ich es im entsprechenden Moment machen muss. Mir würde es gefallen, wenn schnellstmöglich die Drohung der Unabhängigkeitserklärung zurückgezogen würde, weil es die Sachen in der Zukunft enorm erschweren würde.« Das sind Auszüge aus einem langen Interview, das Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy der spanischen Zeitung »El País« am Wochenende rund um den Katalonienkonflikt gegeben hat. Rajoy gestand dabei ein, dass es sich um eine der schwersten Krisen der spanischen Demokratie handele. Er bekräftigte, dass er »jede Unabhängigkeitserklärung verhindern werde«, und versicherte, dass die spanische Guardia Civil und die spanische Nationalpolizei so lange mit Zusatzkräften in Katalonien stationiert blieben, bis »die Normalität zurückkehren« werde. »Katalonien ist die Schlacht von ganz Europa.« Sein Argument: »2012 wurde in Spanien die Schlacht um den Euro geschlagen und die Europäer haben gewonnen. Jetzt steht die Schlacht um die europäischen Werte auf dem Spiel und wir werden wieder gewinnen.«

Rajoy will auf alle Mittel zurückgreifen, die ihm Recht und Gesetz einräumen. Er verwies explizit auf den Artikel 155 der Verfassung. Damit könnte die spanische Regierung die Autonomie der Region aussetzen und eine Abspaltung verhindern. Katalonien würde dann unter Zwangsverwaltung von Madrid gestellt werden - die Regionalregierung verlöre damit jegliche Handlungsspielräume. Idealerweise sollten drastische Lösungen nicht nötig sein, dafür müsse sich die Lage aber ändern, winkte Rajoy mit dem Artikel 155.

Kataloniens Regionalregierung hat unterdessen eine für Montag angesetzte Parlamentssitzung zur Debatte über den Ausgang des Referendums auf Dienstag verschoben. Unter anderem über die Ausrufung der Unabhängigkeit hätte am Montag debattiert werden können. Nachdem das spanische Verfassungsgericht die angesetzte Sitzung aber untersagte, verschob Regionalpräsident Carles Puigdemont seinen Auftritt vor den Abgeordneten auf Dienstagabend. Und die Tagesordnung ist noch schwammig: Puigdemont will sich über die »aktuelle politische Situation« äußern. Eine Sitzung mit dieser Tagesordnung lässt sich vom Verfassungsgericht nicht verbieten.

Der Regionalpräsident hat sich wiederholt für eine internationale Vermittlung im Konflikt zwischen Madrid und Barcelona starkgemacht. Puigdemont steht in Kontakt mit einer von Barcelonas Anwaltskammer geschaffenen Kommission, die drei Punkte für einen Ausweg aus der Krise vorschlägt: Ein Verzicht auf sofortige Entscheidungen von beiden Konfliktparteien, ein Rückzug der von der Zentralregierung nach Katalonien entsandten Polizisten sowie die Einrichtung einer unabhängigen Kommission für einen Dialog.

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