nd-aktuell.de / 14.10.2017 / Politik / Seite 25

Speicher-Nachfolger gesucht

NAND-Flash wird die Szenerie der Neuentwicklungen noch eine Weile dominieren, doch andere Alternativen drängen bereits in Marktnischen. Von Bernd Schröder

Bernd Schröder

Der Festplattenhersteller Seagate hatte auf dem Flash Memory Summit in Kalifornien 2016 das mit 60 Terabyte bis dato größte Solid-State-Drive (SSD) vorgestellt. Die Platte kann einen Informationsgehalt speichern, wie eine Menge bedruckten Papiers, für das drei Millionen Bäume abgeholzt werden müssten.

Das war der vorerst letzte Meilenstein einer atemberaubenden Entwicklung, die um 1725 mit der Lochkarte begann und in der der Mensch mit der ständigen Zunahme der Datenmenge neue Speicherprinzipien ersann. In immer kürzer werdenden Zeitintervallen tauchten neue Speichermedien auf, die Folge: ein Preisverfall bei Datenträgern. 1981 kostete der Speicher für ein Gigabyte Daten noch eine halbe Million US-Dollar - heute ist der gleiche Speicherplatz für weniger als drei Cent zu haben.

Die Seagate-Platte basiert auf Mikrochips, die mit der sogenanntem 3D-NAND-Flash-Technologie hergestellt werden, einer besonders platzsparenden Anordnung und Verschaltung der einzelnen Speicherzellen. Bei herkömmlichen Festplatten mit rotierenden Magnetscheiben (HDD) sind die Verkaufszahlen rückläufig. Als Datenspeicher könnten sie schon bald Geschichte sein - zumindest für Normalverbraucher. Aus Rechenzentren werden die billigen Massenspeicher in absehbarer Zeit nicht verschwinden, zumal auch sie noch Raum für Verbesserungen bieten. Aktuelle HDD-Modelle kommen auf zwölf Terabyte; größere sind in Arbeit. Die Plattengehäuse sind dabei mit Helium gefüllt, um die aerodynamischen Kräfte, die auf die rotierenden Scheiben einwirken, zu verringern. So können mehr Scheiben eingebaut werden und die Leistungsaufnahme sinkt.

Flash-Speicher haben beim Marktanteil deutlich zugelegt, doch auch sie werden eines Tages an ihre physikalischen Grenzen stoßen. Die sind durch den verfügbaren Platz einer jeden Zelle zur Elektronenspeicherung vorgegeben. Eine Folge der fortschreitenden Miniaturisierung: Die dünneren Isolationsschichten werden stärker durch Schreibvorgänge in Mitleidenschaft gezogen, und die abnehmende Elektronenzahl pro Zelle verlangsamt das Auslesen, das gleichzeitig aufwendiger wird.

Neue räumliche Zellstrukturen wie im 3D-NAND-Flash sollen Abhilfe schaffen. Die Speicherhersteller arbeiten bereits an Nachfolgelösungen, bei denen sich die Zellen noch kleiner fertigen lassen.

Flash-Speicher steckten bisher vor allem in Notebooks oder in High-End-Rechnern. SSD mit passenden Anschlüssen sollen auch Besitzern von PCs den Übergang von HDD zur Flash-Speicherung schmackhaft machen: Vermutlich entsteht in diesem Segment in den nächsten sechs Jahren der größte SSD-Bedarf.

Ein Nachteil von Flash-Speichern: Sie lassen sich nicht beliebig oft überschreiben. Eine neue Klasse von Speichern soll für kritische Anwendungen Linderung bringen: Storage-Class Memory - kurz SCM - eine IBM-Entwicklung. Sie kommt vor allem als nicht flüchtiger Ersatz für die bei Stromausfall »vergesslichen« (flüchtigen) DRAM-Chips infrage.

Erste Modelle von Phase-Change- Memory (PCM)-Speichern, eine auf Phasenübergängen in Legierungen beruhende und um 2010 bereits kommerziell verfügbare Technologie, sind wieder vom Markt verschwunden - ihre erreichbare Speicherkapazität war zu gering. Forschungen zu Verbesserungen laufen aber weiter.

Seagate stellte erst kürzlich ein 128-Megabyte-SSD vor, dem mit MRAM (Magnetoresistives RAM) eine weitere aussichtsreiche Technologie zugrunde liegt. Everspin, gegenwärtig noch der einzige Anbieter kommerzieller MRAM-Chips, zog mit der Ankündigung eines 128-Megabyte-Speicherchips nach. Die bisher erreichbare Kapazität ist zu gering, um mit Flash-Speichern konkurrieren zu können. Befürworter dieser Technik glauben dennoch, dass MRAM das Zeug zum dominanten Speicherprinzip hat.

Um 2015 galt das auf der sogenannten Widerstands-Hysterese beruhende ReRAM-Prinzip als ein wahrscheinlicher NAND-Flash-Nachfolger. ReRAM ist mit anvisierten 1024 Megabyte pro Chip derzeit etwas besser positioniert als MRAM und könnte für Anwendungen interessant werden, für die ein geringer Energiebedarf beim Schreiben wünschenswert ist.

Experten rechnen in der Zwischenzeit mit zwei bis drei weiteren Entwicklungsschritten bei NAND-Flash - und mit einer Dominanz der Technologie in den kommenden sechs Jahren. Andere aufstrebende Technologien werden sich vorerst nur in Nischen etablieren können.

Unterdessen wird das optimiert, was bereits vorhanden ist. Sogenannte SSD-Lineale sollen den in Servern vorhandenen Platz besser ausnutzen: Knapp vier Zentimeter hohe, 9,5 Millimeter breite, dafür aber über 30 Zentimeter lange Riegel. 32 solcher Flash-Lineale finden in einem herkömmlichen Computergehäuse (Racks) für Rechenzentren mit einer Höheneinheit Platz und können so bis zu einem Petabyte Speicherplatz zur Verfügung stellen. Zwei solcher Racks würden ausreichen, um sämtliche Informationen zu speichern, die in den akademischen Bibliotheken der Vereinigten Staaten schlummern.