Weder Zeit noch Raum noch Geld

Handlungsspielräume für Jugendliche im ländlichen Raum sinken

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

In Ostdeutschland hat der Bevölkerungsanteil junger Menschen rapide abgenommen. Diejenigen, die bleiben, finden immer seltener eine Arbeit, brauchen länger, um eine Ausbildung abzuschließen und fühlen sich immer weniger von der Politik in Entscheidungen einbezogen. Das sind die Ergebnisse des 15. Kinder- und Jugendberichtes, der im Bildungsausschuss des Landtags debattiert wurde. Vorgestellt wurden sie von Klaus Schäfer, ehemaliger Staatssekretär im Kinder- und Jugendministerium von Nordrhein-Westfalen und Mitglied der Sachverständigenkommission für den Bericht.

Schäfer wies unter anderem darauf hin, dass rechte und rechtsextreme Gesinnungen in der jungen Generation stark zunehmen - sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern. Sie seien »vielfach engagiert und vielfach rechtsextrem unterwegs«. Dagegen sei festzustellen, dass linksradikale Haltungen deutlich im Schwinden begriffen seien. Allerdings setze der weitaus größte Teil der Jugendlichen seine Hoffnungen in die Demokratie und bringe das auch in Äußerungen und im Verhalten zum Ausdruck.

Festzustellen sei, dass sich die durchschnittliche Ausbildungszeit deutlich verlängert hat, und es heute viele Jahre mehr dauere, bis junge Menschen einen Platz im Berufsleben gefunden haben. Fatalerweise enden aber Förder- und Unterstützungsangebote zumeist mit dem Beginn des 18. Lebensjahres. Schäfer meint, dass Hilfsangebote auch über die Volljährigkeit hinaus bestehen bleiben sollten: »Sie benötigen weiter Unterstützung und das in hohem Maße.«

Inzwischen geht die Forschung davon aus, dass bei 20 Prozent der jüngeren Einwohner das wünschenswerte Aufwachsen »nicht mehr gelingt«. Diese Risikogruppe sei »keine Minderheit mehr«. Vielfach entscheiden darüber die soziale, aber auch die regionale Herkunft. Ausschlaggebend sei auch, ob der Heimatort eine arme oder eine reiche Kommune ist.

In Brandenburg verlassen 7,7 Prozent der Jugendlichen ohne Abschluss die Schule. Das ist weit mehr als der bundesdeutsche Durchschnitt von 5,8 Prozent. Brandenburg liegt damit auf dem fünftletzten Platz hinter Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Deutschlandweit haben 6,7 Prozent der arbeitsfähigen jungen Menschen keinen Job, und 11,4 Prozent von denen, die eine Beschäftigung haben, beziehen daneben finanzielle Mittel, mit denen sie ihren Lohn aufstocken.

Im Unterschied zu früher hält das Leben Schäfer zufolge für die meisten Heranwachsenden entschieden mehr Unsicherheiten bereit. Kontinuitäten im Lebenslauf seien seltener geworden. »Planbarkeit und Verlässlichkeit sind kaum noch gegeben.« Das gelte für Hauptschüler wie auch für Abiturienten.

Kinder und Jugendliche rangen schon immer um mehr Freiräume, heute seien diese Räume im Schwinden begriffen und Zeitdruck sowie Ratlosigkeit im persönlichen Umfeld der Jugendlichen nehmen zu. »Die Handlungsspielräume schrumpfen, Jugendliche gewinnen den Eindruck, dass sie weder ausreichend Zeit noch genügend Räume haben.« Sie seien eher einem »Mithaltedruck« ausgesetzt.

Auch wenn vielfach ein anderer Eindruck entsteht: Die Familie bleibt ein wichtiger Ankerpunkt für die Jugendlichen, »insbesondere die Mutter«, betonte der Wissenschaftler. Er warb für mehr politische Bildung, die ihm zufolge in den vergangenen zehn Jahren »immer mehr an den Rand gedrängt« worden sei. Vor allem Jugendliche aus weniger begüterten Schichten würden sich politisch via Facebook informieren, wo es keine Debatten gebe, sondern nur noch die Alternativen »gefällt mir« oder »gefällt mir nicht«. Entscheidend für das Dilemma sei aber die wachsende soziale Kluft. Professor Schäfer sagt: »die soziale Ungleichheit darf nicht hingenommen oder fortgesetzt werden«.

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