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Neues Konzept für altes Gymnasium

Das einstige Joachimsthalsche Gymnasium soll Europäische Schule mit Internat werden - die erste dieser Art in den neuen Bundesländern

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 4 Min.

Ulrich Schoeneich hat etliche Interessenten in den vergangenen 20 Jahren kommen und gehen sehen. »Sechs oder sieben Konzepte gab es bisher für das historische Ensemble des Joachimsthalschen Gymnasiums. Alle scheiterten irgendwie am Geld und an mangelnder Unterstützung«, erzählt der 66-Jährige, der bis 2010 Bürgermeister (parteilos) von Templin (Uckermark) war. Dennoch hat der Uckermärker die Hoffnung nie aufgegeben, für die rund neun Hektar große denkmalgeschützte Immobilie an der östlichen Zufahrt zur Stadt eine neue Nutzung zu finden.

»Dieses 1912 erbaute Gebäudeensemble direkt am Ufer des Stadtsees hat Potenzial«, sagt Schoeneich und führt über das Gelände mit den gelben Mehrgeschossern, die sich hufeisenförmig um einen Innenhof gruppieren. Die sparsam eingesetzten Schmuckelemente, zum Beispiel Zahnfriese oder kleine Reliefs, fallen ins Auge, ebenso die gewölbten Torbögen, Säulen und ein Uhrenturm.

Ferdinand von Saint André kann Schoeneich nur beipflichten. Der 45-Jährige ist Geschäftsführer einer im vergangenen Jahr neu gegründeten Stiftung, die auf dem geschichtsträchtigen Areal eine Europaschule etablieren will. Der Geschäftsführer verweist auf ein inzwischen europaweites Netzwerk, das vor 60 Jahren mit ersten Bildungseinrichtungen für die Kinder von EU-Beamten entstand.

»Bisher stehen diese 27 Schulen meist in großen Städten und Metropolen. Unsere Bildungseinrichtung könnte in diesem Netzwerk die erste auf dem Lande sein und die bisher einzige in Ostdeutschland, als Brücke zwischen Ost- und Westeuropa«, sagt der Geschäftsführer. Aus diesem Netzwerk heraus gebe es bereits ein großes Interesse an einer ersten Europäischen Internatsschule.

Nach Überlegungen in der Stiftung sollen die 340 künftigen Gymnasiasten aus ganz Europa nach Templin kommen, mehrsprachig lernen und dort auch wohnen. Platz gibt es jede Menge: Allein die Gebäude haben 26 500 Quadratmeter Nutzfläche. »Im nächsten Jahr planen wir ein Sommercamp für 30 Schüler. Da wollen wir das Ganze schon einmal üben«, so Saint André.

Mit dem regulären Schulbetrieb starten könne das Projekt jedoch frühestens im Jahr 2022, erläuterte der Stiftungsvorsitzende. Die Schüler würden ein speziell in Brüssel entwickeltes europäisches Abitur ablegen, das den Hochschulzugang überall in Europa ermöglicht.

»Generell befürwortet das Land Brandenburg eine vielfältige Schullandschaft und jede sinnvolle Bereicherung. Aus Templin gibt es aber noch nicht einmal einen Antrag«, sagt Ralph Kotsch, Sprecher des Bildungsministeriums. Er verweist darauf, dass für ein solches Schulprojekt ein fristgebundenes zeitaufwendiges Genehmigungsverfahren erforderlich ist.

Dafür sei es im Moment noch zu früh, sagt Saint André. »Das Modell Europäische Schule ist in Brandenburg noch Neuland, die Stiftung mit dem Brandenburger Bildungsministerium daher schon länger im Gespräch.« Dabei gehe auch darum, wie sich das Land am Schulbetrieb möglicherweise beteiligen könnte.

Bis in die 1950er Jahre war das historische Ensemble Gymnasium, später Lehrerbildungseinrichtung, über die Wende Ausbildungsstätte für Kindergärtnerinnen. Bis 1996 war es wieder eine Schule mit Internat. Seither hat der Zahn der Zeit mächtig an der Bausubstanz genagt. »Damals ging man noch von Sanierungskosten in Höhe von 20 Millionen D-Mark aus, heute liegen wir bei Investitionskosten von 80 Millionen Euro«, sagt der ehemalige Bürgermeister.

Eine solche Summe könne die Stiftung natürlich nicht auf einmal aufbringen, stellt von Saint André klar. Gemäß einer Machbarkeitsstudie soll mit einem ersten Bauabschnitt begonnen werden, für den 24 Millionen Euro nötig sind. »Mehr als die Hälfte davon könnten wir aus öffentlichen Förderprogrammen bekommen, zumindest wurde uns das so signalisiert. Für den Rest sammelt die Stiftung gerade unter privaten Geldgebern«, sagt der Geschäftsführer.

Mut macht ihm und Schoeneich die Rückendeckung der Stadt Templin, des Landkreises Uckermark sowie der regionalen Abgeordneten im Landtag, im Bundestag und im EU-Parlament, die schon in Templin waren. Betreiber der Internatsschule soll eine gemeinnützige GmbH werden, die noch zu gründen ist. Bis Ende nächsten Jahres soll die Finanzierung des ersten Bauabschnitts unter Dach und Fach sein, in dessen Mittelpunkt das alte Schulgebäude mit der riesigen Aula inklusive Bühne und Kassettendecke sowie einer über vier Stockwerke ausgelegten Bibliothek steht.

Das Joachimsthalsche Gymnasium, 1607 in Joachimsthal (Barnim) als Fürstenschule für begabte Knaben gegründet, bildete Nachwuchs für den Staats- und Kirchendienst aus. Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zerstört, zog es nach Berlin und 1912 nach Templin (Uckermark) um. Zu dem von Regierungsbaumeister Fritz Bräuning entworfenen Gebäudekomplex gehörten ein Schülerwald, ein Botanischer Garten, ein Bootshaus am Stadtsee und ein Schwimmbad. dpa

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