Volker Hauptvogel, Berliner, 61 Jahre alt, ist vielerlei: Gastronom, Schriftsteller, Schauspieler, Sänger. Und er »ist Zeuge einer Zeit, als man in den vorderen U-Bahn-Waggons noch rauchen durfte und als in Kreuzberg die westliche Welt noch zu Ende war. Jetzt ist das Rauchen schon auf dem Bahnsteig verboten«, so die »B.Z.« letztes Jahr in einem kleinen Porträt über den Mann, der 1976 nach Westberlin kam. Dort hat sich viel verändert seit der goldenen grauen Ära, den Siebzigern und Achtzigern, in denen heute alle nostalgisch schwelgen.
Hauptvogel entstammt jener Zeit, in der das von Investoren, Anlegern und Verblödung weitgehend verschonte Westberlin noch der Fluchtpunkt der Kriegsdienstverweigerer, fröhlichen Arbeitslosen, Hausbesetzer und Anderstickenden war und der Schlachtruf »Zurück zum Beton!« erklang, jener Zeit, in der Berlin so etwas wie der Vorposten äußerster Permissivität war, jener Zeit also, von der Berlins Ruf bis heute zehrt und die heute gewinnbringend historisiert und vermarktet wird, wie alles, was früher einmal schön und gut war und dann zerstört wurde.
Als junger Mann gründete Hauptvogel 1978 die erste Berliner Punkband, das Mekanik Destrüktiw Komandöh (MDK), das mit seinem ruppig-rotzig-zackigen Punkrock, wie man ihn von britischen Vorbildern wie X-Ray-Spex kannte, zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt alles richtig machte, also schlechte Laune mit simplen Gitarrenakkorden vereinte. »Berlin! Beton!/Sterbende Stadt!«, sang Hauptvogel in einem der bekanntesten Songs von MDK, »die Babies von heute/sind die Soldaten von morgen«, hieß es in einem anderen. 1984 löste sich die Gruppe wieder auf. Es war die Musik der Zeit: Der Kalte Krieg, so weiß man heute, war eigentlich ein Kalter Frieden, tagsüber schlief man und machte Kunst, nachts lebte man und nahm Drogen, und im Berliner Winter inhalierte man beim Einatmen beglückt den Rauch der Kohleöfen, während man in seiner 150-Mark-Altbauwohnung entspannt bei einem Wasserglas voll Wodka auf den Dritten Weltkrieg wartete, der jeden Moment beginnen konnte.
Doch Schluss nun mit all den schönen Erinnerungen, reden wir von der Gegenwart: 2015 gründete das MDK sich neu, absolvierte auch einige Live-Auftritte mit einem alten Kumpel, dem mittlerweile zum Sozialdemokraten regredierten Jello Biafra (Ex-Dead Kennedys), und hat letzten Sommer sogar ein neues Album vorgelegt. Und das, obwohl bis auf Hauptvogel selbst und dem Saxophonisten der Band alle einstigen Mitglieder verstorben sind.
Im Eröffnungssong heißt es: »Wenn du mal zuhause sitzt/Und du denkst, du kannst nicht mehr/ Wenn du einmal unten bist/Und die Wahrheit spuckt dir ins Gesicht/Dann denk daran: Es geht weiter, immer weiter.«
Mekanik Destrüktiw Komandöh: »Manifestation« (Destiny Records / Brokensilence)
Konzert: 24.11., 21 Uhr, Regenbogenfabrik, Kreuzberg
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1070334.mekanik-destruektiw-komandoeh-berlin-beton.html