nd-aktuell.de / 08.12.2017 / Kultur / Seite 13

Unaufgeräumt

Sincere Engineer

Nicolai Hagedorn
Ich kannte Deanna schon seit Jahren, weil sie auf allen Konzerten in Chicago war und kräftig mitgesungen hat», erklärt Tobias Jeg, Gründer und Chef des kleinen Punk-Labels «Red Scare Industries» über seine neueste Entdeckung Deanna Belos. «Irgendwann sah ich sie auf Instagram beim Musikmachen, und da sagte ich ihr, es sei langsam Zeit, dass sie sich mal auf die Bühne stellt. Und das war ihre erste Show, und dann ist sie dabei geblieben und hat ein Album aufgenommen. Der Rest ist Geschichte», so Jeg weiter.

Weil sie aber «kein Soloalbum, sondern etwas gemeinsam mit Freunden machen wollte», entstand mit Sincere Engineer eine Band, die sich stark an der in den USA unter dem Label «Emo Revival» lancierten neuen Musikrichtung orientiert. Seit einigen Jahren mühen sich in erster Linie US-amerikanische Bands, die wenigen brauchbaren Elemente von Pop-Punk und 90er-Emo so neu zu arrangieren, dass dabei Hörbares entsteht. Und das gelingt Gruppen wie etwa The Hotelier, Modern Baseball oder Tiny Moving Parts durchaus respektabel.

Belos nimmt auf ihrem Debütalbum «Rhombithian» einiges an Exaltiertheit des Tiny-Moving-Parts-Songwritings zurück und gibt stattdessen der ganzen Sache eine eingängigere, mal folkige, mal punkige Note - vielleicht am eindrücklichsten und repräsentativsten in dem Dreiminüter «Here’s Your Two Dollars», den Evan Weiss (Into it. Over it) mit feiner Leadgitarre veredelt.

Charakteristisch für die Songs sind dabei die vielen Tempo- und Laut-leise-Wechsel innerhalb der einzelnen Kompositionen, und so hüpfen und lungern, eilen und trödeln sie, dass es in den besten Momenten eine wahre Freude ist, ständig begleitet von Belos’ Stimme, die mit der Unaufgeräumtheit der Musik mithalten kann und genauso schön schreit und keift, wie sie in aller Ruhe singt.

Dabei geht es textlich um wenig Weltbewegendes, mehrmals macht Belos in ihren Lyrics Bekanntschaft mit Tür und Boden, meist ist Alkohol im Spiel. Auch sonst drehen sich die Lieder hauptsächlich um die Widrigkeiten und Kater des Lebens und darum, wie man damit umgehen kann, etwa indem man einfach Corn Dogs futternd auf der Couch liegen bleibt - es gibt üblere Alternativen. «Rhombithian» hat mit dem furiosen Opener «Corn Dog Sonnet No 7», dem wild unentschlossenen «Overbite», dem bereits erwähnten «Here’s Your Two Dollars» und dem abschließenden Akustik-Stück «Ghost in the Graveyard» einige Höhepunkte und mit «Ceramic Tile» eine in den USA bereits ausgiebig gewürdigte Hangover-Hymne zu bieten.

Sincere Engineer wollen nichts neu erfinden, dafür ist diese Art von Musik auch zu beschränkt. Nach dem zweiten Hören hat man die Songs durchschaut und nach dem dritten dann auch totgehört - aber diese drei Durchgänge sind durchaus erfreulich.

Sincere Engineer: Rhombithian (Red Scare Industries/Cargo Records)