nd-aktuell.de / 03.01.2018 / Politik / Seite 20

Angst in Kapstadt vor Stunde Null

Südafrikas Metropole wird von der schlimmsten Dürre seit Jahrhunderten heimgesucht

Kristin Palitza, Kapstadt

Kapstadt geht wegen der schlimmsten Dürre seit Jahrhunderten das Wasser aus. Wenn es nicht bald regnet, droht Ende April die »Stunde Null«, in der die Stadt das Wasser abstellen muss. Dann müssten sich die 4,5 Millionen Einwohner ihr Wasser unter Aufsicht von Militär und Polizei an 200 Verteilungspunkten abholen. Täglich würde es in einer der entwickeltsten Städte Afrikas 25 Liter Wasser pro Person geben - das von der WHO empfohlene Minimum zur Aufrechterhaltung von Gesundheit und Hygiene. »Wir versuchen alles, um die ›Stunde Null‹ zu verhindern ... doch dafür müssen wir unsere Beziehung zu Wasser grundsätzlich ändern«, warnt Bürgermeisterin Patricia de Lille.

Die Region lockt jährlich fünf Millionen Touristen an. Doch Swimmingpools sind schon lange trocken. Gärten dürfen nicht mehr gewässert, Autos nicht gewaschen werden. Dabei hat die trockene Sommerzeit erst begonnen. Regen wird erst im Mai oder Juni erwartet - wenn überhaupt.

Um die »Stunde Null« abzuwenden, hat die Stadtverwaltung den erlaubten Wasserverbrauch ab 1. Januar von 20 000 auf 10 500 Liter pro Haushalt halbiert. Haushalte mit mehr als vier Personen können eine Sondergenehmigung für höheren Verbrauch beantragen. Die Einwohner dürfen damit im Schnitt nur noch 87 Liter Wasser pro Tag verbrauchen - zum Trinken, Waschen, Kochen, Putzen und Klospülen. Gewerbliche Nutzer müssen den Verbrauch zwischen 45 und 60 Prozent reduzieren. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, wird künftig Bußgelder zahlen müssen.

Schon jetzt sind die Stauseen, die Kapstadt mit Wasser versorgen, nur noch zu einem Drittel voll, die Region wurde vor Monaten zum Katastrophengebiet erklärt. »Wenn der Wasserspiegel auf unter 13 Prozent sinkt, drehen wir die Wasserhähne zu«, droht de Lille. Nur die dicht besiedelten Armengebiete rund um Kapstadt würden von extremen Maßnahmen ausgeschlossen, da dort das Risiko von Krankheitsausbrüchen zu hoch sei.

»Es ist klar, dass das Wasser an den Staudämmen, die die Stadt versorgen, bis zum nächsten Regen nicht ausreichen wird«, warnt Piotr Wolski, Klimaforscher der Universität Kapstadt. Daher müsse der Verbrauch stark rationiert werden. Auf einer städtischen Website können Bürger verfolgen, wann die »Stunde Null« schlagen wird; momentan am 29. April 2018. Die Ursachen der Krise haben, so Forscher, mehr mit den Auswirkungen des Klimawandels als mit schlechter Planung der Stadt zu tun. Kapstadt liegt in einer zunehmend trockenen Provinz, dem Westkap. Zudem verursacht das Klimaphänomen El Niño extreme Trockenheit.

Zahlreiche auf Wasser angewiesene Betriebe wie Gärtnereien und Autowaschanlagen sind pleite. Auch die Landwirtschaft habe in dieser Erntesaison Verluste in Millionenhöhe verzeichnet, sagt Regierungsvertreter Graham Paulse. Die Zwiebelernte sei um die Hälfte geschrumpft, die Obsternte soll um 20 Prozent zurückgehen. 50 000 Arbeitsplätze sollen aufgrund der Dürre bedroht sein.

Viele Bürger versuchen, sich von der städtischen Wasserversorgung zumindest teilweise unabhängig zu machen. Sie installieren Systeme zur Wasserwiederverwertung und lassen Brunnen graben. An zwei natürlichen Quellen am Stadtrand drängeln sich täglich Einwohner, um Wasserkanister aufzufüllen. Gleichzeitig versucht die Stadt, die Versorgung durch Meerwasserentsalzungsanlagen, Wasserrückgewinnung und Grundwasserentnahmen zu verbessern. Ab Februar erwägt die Stadt die Einführung einer »Dürresteuer«, die Hauseigentümern je nach Immobilienwert eine gestaffelte Zulage abverlangt. Auf dem Weg will de Lille über die nächsten vier Jahre 260 Millionen Euro für die Ausweitung der Wasserinfrastruktur gewinnen. Die Bürgermeisterin sagt, um Wasser zu sparen, dusche sie nicht mehr jeden Tag. Doch wenn nicht schnell mehr Wasser gespart wird, könnte sich die Stadt mit der »Stunde Null« trotzdem in ein Katastrophengebiet verwandeln. dpa/nd