Auch im fernen Paris trauerte man nach dem verheerenden Anschlag von Kabul: Bürgermeisterin Anne Hidalgo ließ die Beleuchtung des Eiffelturms am Samstagabend abschalten, um der vielen Opfer zu gedenken. Deren Zahl wuchs am Wochenende fast stündlich. Mindestens 103 waren es am Sonntagnachmittag; 235 weitere Menschen seien verletzt worden, so Innenminister Wais Ahmad Barmak. Die meisten sind Zivilisten, aber auch 30 Polizisten kamen ums Leben. Im ganzen Land war am Sonntag Staatstrauer ausgerufen.
Auf einer stark gesicherten und viel besuchten Straße im Zentrum der Hauptstadt, unweit von Botschaften und Sicherheitseinrichtungen im Regierungs- und Geschäftsviertel Schar-e Nau, hatte ein Attentäter am Vortag perfide einen Rettungswagen missbraucht, um eine Kontrolle am alten Gebäude des Innenministeriums zu passieren. Am zweiten Sicherheitspunkt dann zündete er nach Polizeiangaben seine Sprengsätze. Dutzende Läden wurden zerstört, Autos flogen durch die Luft. Die Detonation sei in weiten Teilen der Hauptstadt zu hören und zu spüren gewesen, so Beobachter.
Umgehend reklamierten die radikalislamischen Taliban diesen Massenmord für sich. UN-Generalsekretär António Guterres erklärte, wahllose Angriffe auf Zivilisten seien niemals zu rechtfertigen. Auch das Auswärtige Amt in Berlin und US-Präsident Donald Trump verurteilten den Anschlag scharf. Er erneuere die Entschlossenheit der Vereinigten Staaten, ihre afghanischen Partner zu unterstützen, so Trump. »Die Grausamkeit der Taliban wird nicht siegen.«
Allerdings haben Taliban wie Islamischer Staat (IS) die Zahl ihrer opferreichen Attentate zuletzt weiter erhöht. Über 20 waren es 2017, über 500 Menschen starben dabei - deutlich mehr als in den Vorjahren. Und auch das neue Jahr begann mit einem schweren Anschlag auf einen Sicherheitsposten und 20 Toten. Am vorvergangenen Wochenende starben 22 Menschen, darunter 14 Ausländer, als die Taliban ein großes Hotel in Kabul angriffen. Am Mittwoch tötete der IS in Dschalalabad vier Menschen. Sein Ziel: die regionale Niederlassung der Kinderhilfsorganisation Save the Children.
Die Taliban kontrollieren erneut mindestens 13 Prozent des Landes, ein weiteres Drittel ist hart umkämpft - obwohl die USA mittlerweile wieder so viele Angriffe fliegen wie in der Hochzeit des Krieges. Beobachter sehen die Anschläge auch als Reaktion darauf. Afghanistan-Experte Thomas Ruttig vermutet, dass die Terroristen damit zugleich das aktuelle politische Chaos vor den geplanten Wahlen sowie die Unzufriedenheit der Bevölkerung zuspitzen und so einen Kollaps der Regierung erreichen wollten. Auch Parlamentarier in Kabul fordern inzwischen den Rücktritt von politisch Verantwortlichen für die Verschärfung der Sicherheitslage. Doch trotz dieser Entwicklung schiebt die Bundesregierung weiter gnadenlos abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan ab.