Es ist Fluch und Segen der Linkspartei - die AfD zwingt sie mit ihrem Erfolg im Osten in besonderer Weise zur kritischen Selbstreflexion. Natürlich gälte das für alle Parteien, doch hier zeigt sich, wie ernsthaft die Sonntagsreden der Parteien über den Osten gemeint sind. Die Linksfraktionen in Bund und Ländern haben ihre Ernsthaftigkeit nun in einer Neujustierung ihrer strategischen Ziele für den Osten demonstriert[1]. Das gemeinsame, also in der Partei bundesweit beurkundete Bekenntnis ist zugleich Voraussetzung, auch künftig im Namen der Ostdeutschen sprechen zu können.
Damit beginnt nun aber erst die Arbeit. Das vorliegende Papier schon als letzte Antwort auf die Verweigerung des störrischen Ostens zu betrachten, wäre verfehlt. Und als Dank für die Umdefinition der Ostdeutschen zur »Avantgarde des Umbruchs« ihre Zuwendung zu erwarten, wäre blauäugig. Ob Menschen sich von der LINKEN angesprochen fühlen, hängt davon ab, ob sie ihre eigenen Erfahrungen bestätigt finden. So reiht sich die Partei mit ihrem Papier in einen Kampf zwischen Modernisierungsbefürwortern und -skeptikern ein - natürlich in die Phalanx der Modernisierer. Doch sind die Ostdeutschen nicht Verlierer im Modernisierungskampf seit 1990, sondern bei der Aneignung seiner Ergebnisse, wie zuvor schon bei der Aneignung dessen, was von der DDR und damit von ihrem Leben übrig blieb.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1079876.aneignung-ost.html