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EU gibt sich Regeln gegen Lohndumping
Grundsatzeinigung zwischen Kommission, Parlament und Ministerrat über Reform der Entsenderichtlinie
Der Jubel war verhalten bei den vier Frauen, die am Donnerstagvormittag eine Einigung bei der Reform der EU-Entsenderichtlinie vorstellten. Dabei geht es darum, welche sozialen Rechte Beschäftigte haben, wenn sie von ihrem Unternehmen zur Arbeit in ein anderes EU-Land entsandt werden.
EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hatte vor fast zwei Jahren erste Vorschläge nach dem Prinzip »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort« gemacht; es folgte Streit zwischen den Staaten. Nun hat sich dieses Motto durchgesetzt, wie am Donnerstag betont wurde, nachdem in der Nacht zuvor ein Kompromiss erzielt wurde. Demnach bekommen entsandte Arbeitnehmer im Gastland künftig den dort vorgeschriebenen Tariflohn. Dazu haben sie - wenn das für Einheimische vorgesehen ist - Anrecht auf ein dreizehntes Monatsgehalt, Schlechtwetterzulagen und andere Zuschläge. Reise- und Aufenthaltskosten müssen von den Arbeitgebern zusätzlich gezahlt und dürfen nicht mehr vom Lohn abgezogen werden. Sozialabgaben können allerdings im Heimatland der Arbeitnehmer bezahlt werden.
Eine Entsendung ist auf zwölf Monate beschränkt und kann gegebenenfalls um sechs Monate verlängert werden. Danach sollen entsandte und einheimische Arbeitnehmer gleich behandelt werden. Die EU-Mitgliedstaaten müssen alle relevanten Tarifverträge und -regelungen auf einer Webseite veröffentlichen, um Missbrauch zu verhindern. Verstöße müssen von den Mitgliedstaaten aktiv verfolgt werden.
Doch noch ist nicht sicher, ob es bei diesen Beschlüssen bleibt. Denn anders als bei sonstigen Einigungen zwischen Kommission, Parlament und Ministerrat in den sogenannten Trilogverhandlungen bleibt die Zustimmung der einzelnen Einrichtungen ungewiss. Zu umstritten ist die Reform, besonders unter den Mitgliedstaaten. Im Oktober hatten sich bereits die EU-Sozialminister mehrheitlich auf Grundlegendes zur Entsenderichtlinie geeinigt, was großenteils jetzt übernommen wurde. Doch schon damals hatten Polen, Ungarn, Lettland und Litauen dagegen gestimmt. Auch jetzt ist dieser Widerstand zu fürchten. Denn gerade die mittel- und osteuropäischen Länder sehen durch die Neuregelungen den Wettbewerbsvorteil ihrer Unternehmen gefährdet, wenn sie im EU-Ausland die dort geltenden Löhne bezahlen müssen. Dagegen haben viele westeuropäische Länder, allen voran Frankreich, die Reform forciert, um Dumpinglöhnen das Wasser abzugraben.
Um den jetzt ausgearbeiteten Kompromiss im Rat anzunehmen, reicht eine qualifizierte Mehrheit. Einstimmigkeit ist trotzdem das Ziel, um die Einheit der EU zu wahren. Abhängig von dem weiteren Entscheidungsgang könnten die Reformen noch bis zur Sommerpause verabschiedet werden. Zwei Jahre später würden sie dann in Kraft treten.
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