nd-aktuell.de / 03.03.2018 / Politik / Seite 7

Erdogan: Strafe für Ehebruch

Türkischer Präsident lässt Gesetzentwurf ausarbeiten

Jan Keetmann

Es scheint manchmal, als drehe sich die Türkei rückwärts. Bei dem für Ende März geplanten EU-Türkei-Gipfel in Bulgarien könnte wieder ein Thema auf die Tagesordnung kommen, das lange abgehakt schien. Diese Woche hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wieder die Strafbarkeit von Ehebruch auf die Tagesordnung gebracht. Es sei ein Fehler gewesen, dass seine AKP 2004 ein entsprechendes Gesetzesvorhaben auf Drängen der EU aufgegeben habe, sagte Erdogan. Sein Sprecher bestätigte, Erdogan habe dem Justizministerium die Anweisung gegeben, einen entsprechenden Gesetzentwurf auszuarbeiten.

Oppositionspolitiker sehen in Erdogans Wendung vor allem ein Ablenkungsmanöver. Die größte Oppositionspartei, die Republikanische Volkspartei (CHP), will Erdogan nicht in die Falle gehen und nun eine Debatte über Ehebruch beginnen, die nur dazu da ist, Erdogans konservative Wählerinnen bei vielleicht vorgezogenen Präsidenten- und Parlamentswahlen an die Urnen zu bringen. Der Sprecher der CHP, Bülent Tezcan, winkte schon mal ab, seine Partei beteilige sich nicht an der Debatte. Kritik an dem geplanten Gesetzesvorhaben kam daher vor allem von der kurdischen Opposition und von Frauenorganisationen.

Ehebruch ist nach islamischem Scharia-Recht strafbar, im Nachbarland Iran droht sogar die Todesstrafe. Auch in Atatürks Republik war, wie damals in vielen europäischen Ländern, Ehebruch ein strafbares Vergehen. Bis 1996 wurde in der Türkei Ehebruch für Männer und Frauen unterschiedlich definiert. Ein Mann musste ein eheähnliches Verhältnis mit einer anderen Frau eingehen und ihr einen eigenen Haushalt einrichten. Für Frauen galt dagegen: »Eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie Ehebruch begeht«. Wegen der Ungleichbehandlung beanstandete das Verfassungsgericht die Regelung. Da aber das Parlament keine Neuregelung fand, blieb Ehebruch für Männer straffrei, während er für Frauen strafbar war. Nach zwei Jahren kippte das Verfassungsgericht auch die Strafe für Frauen.

Es ist nicht klar, wie ernsthaft Erdogan seinen Vorschlag meint. Für die kommenden Wahlen bemüht er sich darum, konservative Muslime auch über die Grenzen seiner Partei hinweg einzubinden. Viele davon leben in illegalen Mehrehen. Theoretisch könnte die legale Ehefrau ihren Mann wegen Ehebruchs anzeigen.