Wo der Bus zu selten fährt
Alternative Mobilitätsangebote im Nordosten gesucht - Auftrag an die Landesregierung
Im Briefkasten einer Langzeitarbeitslosen, irgendwo auf einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern, landet ein Brief des Jobcenters. Eine Aufforderung, zu einem bestimmten Tag zu einer festgesetzten Uhrzeit zu erscheinen. Zugleich werden der Hartz-IV-Empfängerin diverse Sanktionen angedroht, falls sie den Termin versäumt. Die Frau möchte pünktlich zum Amt kommen, aber wie? Ein Auto hat sie nicht, und es sind Ferien, das heißt: Der Schulbus, der sonst im Dorf hält, fährt nicht. Mignon Schwenke, verkehrspolitische Sprecherin der LINKEN, skizzierte diesen Fall jetzt im Landtag als Beispiel für Probleme, die durch eine schlechte Anbindung ländlicher Regionen an den öffentlichen Personennahverkehr entstehen.
Besonders ältere Menschen, deren Zahl zunimmt im Nordosten, leiden unter dieser Situation, wissen oft nicht, wie sie aus ihrem Dorf in die nächste Stadt zum Arzt kommen. Wie dieser Missstand behoben werden könnte, darüber soll sich die Landesregierung Gedanken machen und alternative Mobilitätsangebote prüfen. Diesen Auftrag hat sie jetzt auf Antrag der SPD/CDU-Koalition per Mehrheitsbeschluss vom Parlament bekommen.
Schaffen lasse sich Mobilität nach Ansicht von Sozial- und Christdemokraten zum Beispiel durch Nachbarschaftshilfe. Menschen mit Auto, die zum Einkaufen in die Stadt fahren, könnten der betagten Frau im Haus gegenüber anbieten: Wir nehmen Sie gern mit! Zu überlegen sei auch, ob sich Pflege-, Paket- oder andere Dienste auf ihrer Tour über Land als Mitfahrgelegenheit nutzen lassen.
Beispiele alternativer Angebote schilderte der Infrastrukturminister Christian Pegel (SPD). So könnten, wie es mancherorts schon geschieht, bei Bedarf Ruftaxis ihre Fahrgäste aus Dörfern bis zur Hauptstrecke eines Busses bringen. Dieser müsste dann nicht von einem kleinen Ort zum anderen kurven, obwohl dort niemand auf ihn wartet. Leerfahrten würden vermieden. Getestet worden sei mittlerweile auch der Einsatz von Elektrofahrrädern, die Dorfbewohnern leihweise zur Verfügung gestellt werden. Im jeweiligen Ort stehen diese Pedelecs in abschließbaren Boxen, dort nimmt sie der Nutzer heraus, fährt zur Bushaltestelle an der Hauptverkehrsstraße, schließt das Vehikel dort wieder in eine Box, und so geht’s umgekehrt bei der Rückfahrt.
Einhergehen müsse das Zusammenbringen von Fahrangeboten und potenziellen Nutzern mit der Digitalisierung des ländlichen Raums, da vor allem über die entsprechenden Medien, etwa Smartphones, eine effektive Kontaktaufnahme gegeben sei, gab Pegel zu verstehen. Auch gelte es, noch manche Abneigung gegen das Mitnehmen und Mitfahren von und bei »wildfremden Leuten« zu überwinden.
Zu allen Modellen, bei denen aufs Mitfahren gesetzt wird, müssten laut Pegel zuvor allerlei rechtliche Belange geklärt werden. So beispielsweise Fragen zur Haftung und Versicherung. Des Weiteren dürften die Interessen von Mietwagen und Taxianbietern sowie von Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs nicht außer Acht gelassen werden. »Da ist manche Angst und Sorge im Raum«, weiß der Minister.
Gegen den Auftrag an die Landesregierung, Mobilitäts-Alternativen zu prüfen, stimmte die Linksfraktion. Mignon Schwenke warf den Koalitionären vor: Statt die drängenden Probleme eines völlig unzureichenden Nahverkehrs anzugehen, »sollen fadenscheinige Lösungsansätze ans Handlungsnachweis dienen, dass sich SPD und CDU kümmern«.
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