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  • »Women’s March«-Bewegung

Die linke Bewegung vereinen

Cassady Fendlay organisierte den Womens March zum Amtsantritt von Trump, ihr Kampf ist nicht vorüber

  • Hans-Gerd Öffinger
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie haben im Januar 2017 die machtvolle Frauendemonstration in Washington anlässlich des Amtsantritts von US-Präsident Donald Trump mitorganisiert. Was hat sich seither im Land verändert?

Vorab: Unsere Bewegung kämpft nicht in erster Linie gegen Trump, sondern für unsere Ziele. Natürlich hat Trump im Vergleich zu anderen weißen männlichen Politikern besonders wenig Respekt für Frauen. Aber er hat Sexismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht erfunden, sondern nutzt sie nur als Werkzeuge für seinen Machterhalt. Das letzte Jahr war sehr schwierig und anstrengend, denn Trump hat mit seiner Politik Angriffe auf unsere Lebensgrundlagen gestartet und sehr viel Schaden angerichtet.

Zur Person
Cassady Fendlay war einige Jahre lang für die US-amerikanische Gewerkschaftsbewegung tätig und ist eine Sprecherin der »Women’s March«-Bewegung, die Anfang 2017 den Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump mit einer Massendemonstration in Washington begleitete. Auf Einladung der Rosa Luxemburg-Stiftung Hessen besuchte sie Frankfurt am Main, Erfurt und Berlin.

In welchen Bereichen?

Beispielsweise in der Einwanderungspolitik. Familien wurden auseinandergerissen. Junge Menschen, die seit frühester Kindheit bei uns aufgewachsen sind, wurden in Länder abgeschoben, die sie gar nicht kennen. In der Gesundheitspolitik setzt Trump auf eine Aushöhlung der bescheidenen Reformen der Gesundheitsfürsorge im Rahmen von Obamacare. Für Frauen soll die Schwangerschaftsverhütung erschwert werden. Die Mehrheit der Bevölkerung teilt unsere Ansicht, dass Gesundheitsfürsorge ein grundlegendes Menschenrecht ist.

Wie hat sich Ihre Bewegung im vergangenen Jahr entwickelt?

Wir haben Strukturen einer landesweiten Frauenbewegung und Non-Profit-Organisation aufgebaut und sind im ganzen Land vertreten, auch in vielen ländlichen Regionen. Wir bauen gegenseitig Solidarität auf und bündeln die vorhandene Entrüstung. Dabei sind wir nicht sehr hierarchisch strukturiert und wollen den Mitgliedern nicht von oben vorgeben, was sie genau tun sollen. Der gemeinsame Nenner sind unsere politischen Grundsätze. Frauenrechte sind Menschenrechte, und Menschenrechte sind Frauenrechte. Wir wollen alle zusammenbringen, die gegen Diskriminierung, Ausgrenzung, Rassismus und Sexismus, für die Rechte der arbeitenden Bevölkerung und für den Erhalt unserer Umwelt eintreten. Wir müssen uns organisieren, bilden und Widerstand leisten.

Trump setzt auf Handelskrieg und verschleißt zunehmend auch seine engsten Mitstreiter und Berater. Was führt Trump im Schilde?

Das ist eine gute Frage. Manche öffentlich geäußerte Kritik an ihm verhakt sich zu sehr an Nebensächlichkeiten und lenkt von den reaktionärsten Aspekten seiner Amtsführung ab, so etwa von der Tatsache, dass er sich auch mit den Sicherheitsorganen des Staates anlegt und sich über sie stellen will. Ich finde es höchst alarmierend, dass viele Leute, die sich eigentlich jetzt gegen ihn auflehnen sollten, dies nicht tun. Was sie mit ihrer Loyalität gegenüber Trump bezwecken wollen, weiß ich nicht.

Die Kampagne von Bernie Sanders, der eine »Revolution gegen die Milliardärsklasse« forderte, hat im Wahljahr 2016 viele Jugendliche und Frauen aufgerüttelt und politisiert. Wie geht es jetzt an dieser politischen Front weiter?

Wir streben eine Einheit der unterschiedlichen linken Bewegungen und Organisationen auf der Basis eines gemeinsamen Nenners an. Wir hoffen und setzen darauf, dass bei den Kongresswahlen im kommenden Herbst die Republikaner die Mehrheit verlieren. Vor allem geht es darum, dass Frauen, die bisher politisch abstinent waren und sich ausgegrenzt fühlten, durch Erfahrungen in der Bewegung sich jetzt etwas zutrauen, sich einmischen und selbst kandidieren. Wir wollen vor allem auch afroamerikanische, indigene, muslimische und behinderte Frauen ermuntern, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und eine führende Rolle im Lande zu spielen. Denn bisher wird die offizielle Politik überwiegend von älteren weißen Männern dominiert.

In Deutschland erinnern die Gewerkschaften an 100 Jahre Frauenwahlrecht. In den USA wurde dieses Grundrecht 1920 eingeführt.

Das Wahlrecht ist wichtig und ein mächtiges Instrument. Vergessen Sie dabei aber nicht, dass die schwarze Bevölkerung in den USA dieses Recht erst in den 1960er Jahren als Ergebnis von massivem Druck zugestanden bekam. Faktisch haben heute aber nicht alle US-Staatsangehörige ein Wahlrecht. Wer auf jeden Fall wählen will, muss sich aktiv um einen Eintrag in das Wählerregister bemühen. In den letzten Jahren gab es Vorstöße einzelner Bundesstaaten, um etwa ethnischen Minderheiten, Studierenden und armen Menschen den Urnengang zu erschweren.

Rund um den Internationalen Frauentag haben Sie in Deutschland Veranstaltungen besucht, Gespräche geführt. Mit welcher Erkenntnis?

Das war eine super Erfahrung, denn mir ist klar geworden, dass die Frauenbewegung in aller Welt für die gleichen Ziele kämpft. Es tut gut, einmal aus der amerikanischen »Käseglocke« herauszutreten und zu sehen, wie Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenkommen und Solidarität aufbauen.

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