Weg frei - aber nur für Autofahrer
Kaum Fahrzeuge von Rad- und Gehwegen abgeschleppt
Vier Falschparker wurden am Dienstag bis zum frühen Nachmittag über das Online-Ordnungsamt gemeldet. Einmal wegen Parkens im absoluten Halteverbot, zweimal wurden Fahrzeuge gemeldet, die auf einer Grünfläche parkten, zweimal wurde das Parken entgegen der Fahrtrichtung bemängelt. Der Status aller Meldungen: erledigt.
Vier über die Online-Plattform gemeldete Falschparker an einem halben Tag - das ist nur ein Bruchteil der Fahrzeuge, die alltäglich in Berlin verkehrswidrig abgestellt werden. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 61 924 Gebührenverfahren wegen Falschparkens eingeleitet. Das sind also knapp 170 Verstöße pro Tag. Die Dunkelziffer ist vermutlich noch um einiges höher.
Diese Zahl ergibt sich aus einer Schriftlichen Anfrage der Grünen vom Februar. Die warf neue Fragen auf. Beispielsweise hatte die Innenverwaltung von den 61 924 Gebührenverfahren fast 50 000 unter »Sonstige« verbucht.
Die Linkspartei-Abgeordneten Tobias Schulze und Kristian Ronneburg haben nachgehakt, was sich dahinter verbirgt. Aus der Antwort der Innenverwaltung geht nun hervor, dass mehr als die Hälfte aller Falschparker im absoluten oder eingeschränkten Halteverbot standen: fast 36 000. Unter »Sonstige« wurden außerdem unter anderem 4000 Fahrzeuge erfasst, die vor Grundstücksein- und -ausfahrten standen sowie 3000 Autos auf Schwerbehindertenparkplätzen, die dafür keine Genehmigung hatten.
Autos abschleppen lassen können sowohl die Polizei als auch die Ordnungsämter der Bezirke. Ronneburg fordert, dass auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) das Recht dazu erhalten. »Das wäre ein Beitrag zur Verkehrssicherheit und zur Beschleunigung des Verkehrs«, sagte er dem »nd«. Steht ein Auto auf einer Busspur oder behindert auf andere Weise ein Fahrzeug der BVG, muss sie bisher zunächst die Polizei beauftragen, es entfernen zu lassen.
Laut Schulze bevorzugt die bisherige Abschlepppraxis vor allem Autofahrer. »Was sofort auffällt: Gerade bezirkliche Ordnungsämter lassen vor allem dann abschleppen, wenn Autofahrende behindert werden. Bei Rad- und Fußverkehr sieht das anders aus«, kommentiert das Ergebnis seiner Anfrage der LINKEN-Abgeordnete Tobias Schulze. Tatsächlich lassen alle Ordnungsämter fast ausnahmslos am häufigsten in den sogenannten Fünf-Meter-Bereichen an Kreuzungen umsetzen. In Lichtenberg waren es mit 356 von 423 Umsetzungen und in Neukölln mit 97 von 116 sogar je 84 Prozent. Das Ordnungsamt von Friedrichshain-Kreuzberg ließ in einem Drittel der Fälle (172) im Fünf-Meter-Bereich umsetzen. In immerhin 25 Prozent der Fälle wurden in dem Bezirk Fahrzeuge von Radschutzstreifen entfernt.
Die schriftliche Parlamentsanfrage zeigt, dass alle anderen Bezirke eher selten Fahrzeuge von Rad- und Gehwegen entfernen lassen. Pankow und Marzahn-Hellersdorf gar nicht, die übrigen im einstelligen Bereich. »So was schafft man an einem Tag in einer Straße«, kommentiert Schulze. Auch die Polizei lässt schwerpunktmäßig im Fünf-Meter-Bereich umsetzen, aber nicht ganz so ungleich verteilt wie die Ordnungsämter.
Die Notwendigkeit, die Regeln zu ändern, nach denen die Polizei Autos abschleppen soll, sieht die Innenverwaltung ihrer Antwort auf die Anfrage zufolge nicht. Stattdessen sollen Autofahrer durch praktische Maßnahmen wie Poller beispielsweise vom Parken auf Radwegen abgehalten werden.
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