nd-aktuell.de / 05.04.2018 / Berlin / Seite 12

Alles andere als ein Nazi

Groteskes Verfahren gegen einen über 60-jährigen Antifaschisten eingestellt

Christian Meyer
Im Juni 2016 kam es am Rande einer Demonstration junger Armenier vor dem Bundestag zu einer Diskussion zwischen dem Angeklagten und einem Polizisten. Im Lauf der Diskussion zitierte Lothar Eberhardt einen Flüsterwitz, also einen Anti-Nazi-Witz mit den Worten: »Sieg heil, der Hund ist tot!« Der Polizist verstand aber keinen Spaß, und Eberhardt erhielt wenige Wochen später einen Strafbefehl über 30 Tagessätze à 20 Euro wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.

Im August 2016 kam es zur Verhandlung vor dem Amtsgericht, der gedenkpolitisch aktive Eberhardt wurde verurteilt. Die Richterin erhöhte das Strafmaß gar auf 40 Tagessätze. Durch seine antifaschistische Arbeit hätte der Angeklagte von der Strafbarkeit seines Tuns wissen müssen, sie wolle dies »allenfalls als vermeidbaren und nicht als unvermeidbaren Verbotsirrtum« werten. Anstatt die unzweifelhafte Einstellung als entlastenden Umstand zu werten, wurde Eberhardt sein Engagement sogar noch negativ ausgelegt.

Der Angeklagte empfand das Urteil als »tiefe Kränkung« seines Rechtsempfindens und legte Berufung ein. Für das Berufungsverfahren ließ sich Eberhardt von zwei Anwälten vertreten, während er sich vor dem Amtsgericht noch selbst vertreten hatte.

Bereits vor Beginn der Verhandlung zeichnete sich ab, dass es zu einer Einstellung des Verfahrens kommen würde. Staatsanwaltschaft und der verteidigende Anwalt hatten sich darauf verständigt, das Verfahren gegen 50 Arbeitsstunden in einer Wohngemeinschaft für Demenzkranke einzustellen.

Nach etwa 30 Minuten auf dem Gang betraten die gut 20 Anwesenden doch noch den Saal, um der Einstellung beizuwohnen. Auch der Richter, dem zwei Schöffinnen beisaßen, sah darin einen vernünftigen Verfahrensausgang. Der Angeklagte sei offensichtlich »alles andere als ein Nazi« und zudem nicht vorbestraft. Der Paragraf 86a, um den es hier gehe, sei jedoch sehr streng und ein Freispruch keineswegs sicher, da es nicht auf die Intention ankomme. Die beiden geladenen Zeugen wurden nicht gehört.

Eberhardt erklärte, dass er das Verfahren gegen ihn in einem »Passionsspiel« verarbeite, das Ende des Jahres aufgeführt werde. Obwohl es keinen Freispruch gab, zeigte er sich zufrieden. Letztendlich sei »der Tatvorwurf vom Tisch«, und es wurde anerkannt, dass kein rechtes Gedankengut propagiert worden sei. Auf formal-juristischer Ebene für einen Freispruch zu kämpfen sei die dafür nötige Energie hingegen nicht wert. Die stecke er lieber in antifaschistische Gedenkpolitik, sagte Eberhardt.