nd-aktuell.de / 10.04.2018 / Sport / Seite 19

Tod auf der Straße

Der Herzstillstand des Radprofis Michael Goolaerts beschäftigt nun die französische Staatsanwaltschaft

Florian Brand

Ungebremst rast der 23-Jährige auf den Erdwall zu. Ob er einfach nur nicht bremsen kann oder hier schon nicht mehr bei Bewusstsein ist, lässt sich nicht zweifelsfrei sagen. Amateuraufnahmen vom 116. Frühjahrsklassiker »Paris-Roubaix« zeigen den tragischen Sturz des Radprofis Michael Goolaerts, der am Wochenende die Radwelt erschütterte. Andere Bilder zeigen ihn mit ausgestreckten Gliedmaßen am Straßenrand liegend, rund 100 Kilometer nach dem Start. Einer Stellungnahme des Veranstalters »Amaury Sport Organisation« (ASO) zufolge sei Goolaerts nach einem Herzstillstand minutenlang klinisch tot gewesen, bevor ihn RennmedizinerInnen wiederbelebten. Unklar blieb zunächst, was den Herzstillstand des Sportlers herbei geführt hatte.

»Unsere Ärzte waren innerhalb von zwei, drei Minuten zur Stelle«, erklärte Pierre-Yves Thouault von der Renndirektion der ASO. Danach wurde Goolaerts per Hubschrauber ins Krankenhaus nach Lille gebracht, wo er im Beisein seiner Familie und engsten FreundInnen am Abend verstarb, teilte sein Team Veranda’s Willems-Crelan mit.

Nach Informationen der französischen Sporttageszeitung »L’Equipe« hatte wohl der Herzstillstand den Sturz Goolaerts ausgelöst. Der Fahrer ist jedenfalls ungewöhnlich zu Fall gekommen. »Ersten Untersuchungsergebnissen zufolge verursachten Herzbeschwerden den Sturz. Es war nicht der Sturz, der seinen Zustand verursachte«, wird die Staatsanwaltschaft Cambrai zitiert. Diese habe vorschriftsmäßig Ermittlungen aufgenommen, Grund sei ein nicht geklärter Todesfall. Außerdem forderte die Staatsanwaltschaft eine Autopsie an. Ein Datum stehe jedoch noch nicht fest, hieß es weiter.

Nach Bekanntwerden des Todes herrschte unter den Radsportlern große Betroffenheit. »Ich bin mit diesen Nachrichten aufgewacht. Ich wollte eigentlich erzählen, welch großartige Erfahrung das gestern war, aber das ist jetzt nichts mehr wert. So traurig vom Tod von Michael zu lesen«, schrieb der deutsche Topsprinter Marcel Kittel am Montag auf Twitter und teilte wie viele seiner Kollegen seine Anteilnahme mit. Sogar Lance Armstrong zeigte sich aus Amerika nach den »furchtbaren Nachrichten« tief bestürzt. In den belgischen Medien beherrschte der Tod des 23 Jahre alten Radprofis die Schlagzeilen. »Drama bei Paris-Roubaix«, war bei »Het laatste Nieuws« zu lesen.

Der Vorfall weckte Erinnerungen an den Tod des Belgiers Daan Myngheer, der 2016 nach einem Herzinfarkt beim Criterium International ebenfalls gestorben war. Auch sonst hat der Radsport immer wieder Todesfälle zu beklagen. Der Weltverband UCI verlangt von den Fahrern regelmäßige kardiologische Untersuchungen. Bei zweitklassigen Teams, wie es Goolaerts Mannschaft ist, sind die Regularien jedoch nicht so streng.

Die ASO musste sich Kritik gefallen lassen, dass sie das Rennen nicht abgebrochen hatte. Der zweimalige Cross-Weltmeister Sven Nys hatte aber Verständnis für die Entscheidung. »Das ist nicht wie bei einem Fußballspiel, wo tausende Leute sehen, wenn ein Spieler ins Gras fällt. Dann ist die Party natürlich vorbei. Bei Goolaerts kam schnell Hilfe und es war unklar, was genau vor sich ging«, sagte der ehemalige belgische Radprofi.

Goolaerts hatte 2016 als junger Fahrer bei Lotto-Soudal den Einstieg in den Profiradsport geschafft. Ein Jahr später wechselte er zu Veranda’s Willems-Crelan. In diesem Jahr hatte er vor allem die Frühjahrsrennen in Belgien bestritten. Sein bestes Ergebnis war abgesehen von Top-Ten-Platzierungen bei der relativ unbedeutenden Sharjah Tour in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein neunter Platz bei Dwars door West-Vlaanderen.

Bei Paris-Roubaix, der sogenannten »Hölle des Nordens«, war Goolaerts zum ersten Mal bei den Profis an den Start gegangen. »Goolie, genau wie ich 1994 geboren. So sind wir seit Jahren im Peloton zusammen. Ich kann noch nicht verstehen, dass dies zu Ende ist. Dein ewiges Lächeln wird mir immer eine Inspiration bleiben«, schrieb sein Teamkollege Wout van Aert auf Twitter.