nd-aktuell.de / 23.04.2007 / Wirtschaft und Umwelt
Verheißungsvolle Zukunft?
Tagung über technische und finanzielle Risiken der Erdwärmenutzung
Michael Scheuermann, Freiburg
Spätestens seit es im Dezember 2006 in Basel infolge der Arbeiten an einem Geothermieprojekt zu Erderschütterungen kam, diskutiert man auch über Risiken der Erdwärmenutzung. Eine Tagung in Freiburg in der vergangenen Woche war den technischen und finanziellen Risiken dieser Technologie gewidmet.
Unter unseren Füßen liegt ein kaum erschlossenes Potenzial, das unsere Energieprobleme auf einen Schlag lösen könnte: die natürliche Wärme aus dem Erdinneren. Sie muss hierzulande jedoch erbohrt werden. Kleinstanlagen, die Erwärme oberflächennah zur Beheizung von Eigenheimen und größeren Gebäude nutzen, sind mittlerweile weit verbreitet. Doch anders als in Italien oder Island tun sich Unternehmen in Deutschland noch schwer, »Tiefe Geothermie« im großen Stil für die Strom- und Wärmeproduktion zu erschließen. Am vergangenen Donnerstag lud das internationale Dienstleistungszentrum für die Finanzierung nachhaltiger Energieprojekte (forseo) gemeinsam mit dem Förderverein Energie- und Solaragentur (fesa) in Freiburg zur 3. Internationalen Geothermiekonferenz. Anlagenbauer, Investoren, Forscher, Behörden und Finanzdienstleister aus neun Ländern kamen zusammen, um die technische Machbarkeit, Finanzierung und die Risiken der »Tiefen Geothermie« auszuloten. Zwei gängige Verfahren, das der Hydrogeothermie bis zu rund 2500 Metern Tiefe und das Hot-Dry-Rock-Verfahren (HDR) bis zu 5000 Meter, kommen in Frage. Während ersteres nur auf wenige, Heißwasser führende Schichten zugreifen kann, ist das HDR-Verfahren deutschlandweit nutzbar. Zwischen zwei Bohrungen werden vorhandene Klüfte in kristallinen Schichten mit Wasserdruck so weit aufgebrochen, dass es für eine kontinuierliche Wasserzirkulation durchlässig wird. In die Tiefe gepumpt, fließt das Wasser durch die heißen Gesteinsschichten zur mehrere hundert Meter entfernten zweiten Bohrung, wo es mit bis zu 200 Grad wieder austritt. Dort treibt es Stromgeneratoren an und liefert Fernwärme in die Umgebung. Horst Kreuter vom Bundesverband Geothermie mahnt, »nicht zu euphorisch« in die neue Energieform einzusteigen, da viele technische und finanzielle Unwägbarkeiten lauern. Kurt Bucher von der Universität Freiburg sieht Gefahren beim Transport von Wasser, das beim Durchfließen der Gesteinsschichten bis zu 260 Gramm aggressive Stoffe pro Liter aufnehmen könne. Diese griffen Rohre an, bildeten Ablagerungen und zerstörten Anlagen. Deshalb sei eine Anpassung der Rohr- und Gerätesysteme an die Wasserinhaltsstoffe nötig, um Ausfälle zu vermeiden, warnt der Mineraloge. Doch die genaue Zusammensetzung könne, ebenso wie die Suche nach einer geeigneten Kluftzone, »nicht in der Theorie, sondern nur durch praktische Testbohrungen« ermittelt werden, konstatiert Ingrid Stober vom Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau in Baden-Württemberg (LGRB). Die enormen Vorlaufkosten mit dem damit verbunden finanziellen Risiko von einigen Millionen Euro liegen dabei allein beim Energieunternehmer. Erst wenn kostspielige Testbohrungen die geothermische Ergiebigkeit belegten, sind Banken zur Kreditvergabe bereit. Trotz aller Unwägbarkeiten scheint in Zeiten steigender Energiepreise und eines drohenden Klimakollapses die »Tiefe Geothermie« eine vielversprechende Energieressource zu sein. Cornelia Virtl vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit stellt für 2009 ein Wärmegesetz ähnlich dem Erneuerbare-Energien-Gesetz für den Strombereich in Aussicht, das die Förderung geothermischer Anlagen einschließt. Anschubgelder für tiefenthermische Projekte sind geplant. Das deutschlandweite Geothermische Informationssystem (GeotIS), welches Standorte in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Niedersachsen, im Rheingraben und im voralpinen Molassebecken favorisiert, soll die Risikoabschätzung optimieren. Martin Kaltschmitt vom Leipziger Institut für Energetik und Umwelt sieht einen großen Vorteil in der »langfristigen Grundlastfähigkeit« für die Stromversorgung. Die Siemens AG will in Unterhaching bei München Ende des Jahres eine erste Anlage in Betrieb nehmen. Die Zeit sei reif, »um in Geothermie zu investieren«, resümiert Wirtschaftsprüfer und Geothermieexperte Heribert Sterr-Kölln aus Freiburg.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/108559.verheissungsvolle-zukunft.html