nd-aktuell.de / 02.06.2018 / Politik / Seite 6

Populisten und Rechte regieren Italien

M5S und Lega haben nun doch eine Koalition gebildet, die am Freitag von Präsident Mattarella vereidigt wurde

Wolf H. Wagner, Florenz

In letzter Minute haben sich die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und die Lega doch noch auf eine Regierung geeinigt. Nach vierstündigem Kolloquium in Rom präsentierten die beiden Parteien Staatspräsidenten Sergio Mattarella eine neue Ministerliste, die diesmal die Akzeptanz des Staatsoberhaupts fand. Am Freitagnachmittag vereidigte Mattarella den neuen Regierungschef Giuseppe Conte, der nun in der kommenden Woche sein Kabinett noch durch die Vertrauensabstimmungen in beiden Parlamentskammern bringen muss. Luigi Di Maio (M5S) und Matteo Salvini (Lega) werden als Vizeministerpräsidenten aufgeführt und somit einen deutlichen Einfluss auf die künftigen Entscheidungen des Premiers ausüben.

Es ist das erste Mal, dass populistische Bewegungen - teils der extremen Rechten, teils einer spontanen Linken - gemeinsam das Ruder in Rom in der Hand halten. Die Praxis wird beweisen, ob sie dazu in der Lage sind. Wichtig für die Akzeptanz der neuen Ministerriege war für Mattarella, dass einige Schlüsselpositionen von »technischen« Experten besetzt werden. So der Wirtschaftswissenschaftler Giovanni Tria, der statt des zunächst vorgeschlagenen Paolo Savona dem Ministerium für Finanzen und Wirtschaft vorstehen wird.

Tria ist nicht so euroskeptisch ausgerichtet wie Savona. Doch auch der römische Professor sieht die Notwendigkeit, Regelungen in der EU und im gemeinsamen Währungsraum neu zu überdenken. Seiner Ansicht nach irritiert die starke deutsche Wirtschaftskraft den festen Wechselkurs der EU-Wirtschaften untereinander. »Eigentlich müsste Deutschland aus dem Euro aussteigen, es ist einfach zu stark«, ließ der neue Minister verlautbaren. Weder in Brüssel noch in Berlin wird dies auf Beifall stoßen.

Neuer Außenamtschef wird Enzo Moavero Milanesi. Der aus der bekannten Bocconi-Familie (Gründer der renommierten Mailänder Universität) stammende Jurist war bereits unter Mario Monti und Enrico Letta Minister für Europäische Angelegenheiten. Als Richter am Europäischen Gerichtshof ist er mit Brüssel bestens vertraut.

Lega-Chef Salvini bekleidet über den Posten des Stellvertretenden Premiers hinaus das Amt des Innenministers. Bereits im Vorfeld hatte er mit reichlich rassistischen Äußerungen seine Intentionen kundgetan. Er werde »die Städte von Migranten säubern« und dafür »Carabinieri und Polizei freie Hand lassen«. Von Salvini erwartet man deutliche Haushaltkürzungen im Bereich der Flüchtlingspolitik. Gleichzeitig wird eine rigide Abschiebungspolitik erwartet. Der Ton in Italiens Innenpolitik wird rauer werden; inwieweit dabei auch die politische Opposition betroffen sein wird, muss sich erweisen.

Es ist kaum anzunehmen, dass der neuen Regierung in der kommenden Woche nicht das Vertrauen ausgesprochen wird. Im Abgeordnetenhaus verfügen die Koalitionspartner über 352 Mandate (Mehrheit bei 316), im Senat über 170 (Mehrheit bei 158).

Wie sich das Abstimmungsverhalten jedoch während der Legislaturperiode entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Die Lega, von der homogenes Abstimmungsverhalten erwartet werden kann, stellt in beiden Kammern - Senat 58, Abgeordnetenhaus 125 - die jeweils kleinere Fraktion. Möglicherweise könnten bei den Sternen in Zukunft verschiedenen Politikansätze zum Tragen kommen, die sich widersprüchlich auch auf die Arbeit des Parlaments auswirken dürften. Schon jetzt gibt es Stimmen, die der nun gebildeten Regierung keine lange Überlebenschance einräumen.

Für den heutigen Samstag, dem Nationalfeiertag Italiens, waren zunächst stürmische Demonstrationen von M5S und Lega in Rom erwartet worden. Nach der erfolgreichen Kabinettsbildung dürfte die Hauptstadt jedoch einem ruhigen Tag entgegensehen. Wie üblich wird Staatspräsident Sergio Mattarella am Vormittag die Festivitäten am Nationaldenkmal in Rom einleiten, um anschließend die Parade der Streitkräfte abzunehmen. Ob Mattarella mit dem Ergebnis der Woche zufrieden ist, sei dabei dahingestellt.