Berlin. Zum Auftakt des Prozesses wegen einer mutmaßlich antisemitischen Attacke auf zwei junge Männer mit Kippa in Berlin[1] hat der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zu Zivilcourage aufgerufen. Die Menschen sollten bei anti-jüdischen Vorfällen aufstehen und dagegenhalten und diese nicht hinnehmen, sagte Klein am Dienstag im Südwestrundfunk (SWR). Im Gegensatz zu heute sei »Jude« früher kein Schimpfwort auf dem Schulhof gewesen, das müsse die Gesellschaft alarmieren.
Antisemitismus sei sichtbarer geworden, das habe auch mit den sozialen Medien zu tun, dort würden entsprechende Inhalte viel mehr verbreitet, beklagte Klein. Dagegen helfe eine »Kultur des Hinschauens und des beherzten Eingreifens«. Vorbildlich sei das mutige Eingreifen einer Frau gewesen, die bei dem mutmaßlich antisemitischen Angriff auf Kippaträger in Berlin-Prenzlauer Berg dafür gesorgt habe, dass die Situation nicht eskaliere. »Solche Beispiele brauchen wir mehr«, sagte Klein im SWR-»Tagesgespräch«.
Der in Oldenburg erscheinenden »Nordwest-Zeitung« (Dienstag) sagte Klein, der Berliner Prozess müsse auch ein Signal für das Umfeld des mutmaßlichen Täters sein. »Wer sich antisemitisch äußert oder betätigt, steht außerhalb unserer Gesellschaft«, betonte er. Es müsse »absolut alarmieren, wenn sich Juden nicht mehr an jedem Ort sicher fühlen können«.
Vor dem Amtsgericht Tiergarten hat am Dienstag der Prozess wegen der Attacke im Stadtteil Prenzlauer Berg begonnen. Die Attacke Mitte April in Berlin Prenzlauer-Berg hatte bundesweit für Empörung gesorgt und eine Debatte über muslimischen Antisemitismus ausgelöst.
Dem Beschuldigten, einem zum Tatzeitpunkt 19-jährigen Syrer, werden gefährliche Körperverletzung und Beleidigung vorgeworfen. Der Angeklagte soll den Israeli mindestens zehn Mal mit einem Gürtel geschlagen und dabei mehrmals auf Arabisch »Jude« geschrien haben. Das Amtsgericht Tiergarten hat zunächst einen Verhandlungstag angesetzt.
Ein Video des Angriffs war in den sozialen Netzwerken verbreitet worden. Bei den Angegriffenen handelte es sich um einen in Deutschland lebenden arabischen Israeli und einen Deutsch-Marokkaner. Zurzeit ist die Kopfbedeckung des Opfers im Jüdischen Museum in Berlin als »Kippa des Anstoßes«[2] in einer Vitrine zu sehen. epd/nd