nd-aktuell.de / 01.07.2018 / Politik

Seehofer verschiebt Rücktritt

Bundesinnenminister trifft am späten Nachmittag Bundeskanzlerin Merkel / CSU steht offenbar nicht vollständig hinter Parteichef

München. Im Asylstreit mit der CDU sucht CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer noch einmal das Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). »Wir werden heute mit der CDU noch einmal ein Gespräch in Berlin führen, in der Hoffnung, dass wir uns verständigen«, sagte Seehofer am frühen Montagmorgen vor Journalisten im Anschluss an Beratungen im CSU-Parteivorstand in München.

Das Gespräch in Berlin sei nun noch einmal ein »Zwischenschritt«, um in der zentralen Frage der Kontrolle und Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze eine Verständigung mit der CDU zu erreichen. »Ich hoffe, dass dieses gelingt«, erklärte Seehofer, der das erneute Gespräch mit Merkel als »Entgegenkommen« bezeichnete, »damit man noch einmal diesen Versuch dazwischenschaltet«. »Sonst wäre das heute endgültig gewesen«, fügte er hinzu.

Seehofer blieb auf Nachfrage unbestimmt, ob er von einem Rückzug aus den Ämtern in Partei und Bundesregierung noch einmal abrücken könnte. »Alles weitere wird dann entschieden nach dem Gespräch«, sagte er.

Seehofer hatte am Sonntag angekündigt, als Bundesinnenminister und als CSU-Chef zurückzutreten. Er bot am Sonntagabend im CSU-Vorstand und in der CSU-Landesgruppe seinen Rücktritt an. Seehofer gab dies demnach in seiner persönlichen Erklärung am Ende der Beratungen der CSU-Spitzengremien bekannt.

Teilnehmern zufolge gab Seehofer als Grund für sein Angebot fehlenden Rückhalt innerhalb der CSU an. In der rund achtstündigen Sitzung der Spitzengremien habe er nicht die volle Geschlossenheit erhalten. Diese sei in der Auseinandersetzung mit CDU-Chefin Angela Merkel aber nötig.

Seehofer verließ den Sitzungssaal in der CSU-Zentrale und zog sich mit seinem engsten Führungszirkel, darunter seine Stellvertreter, Generalsekretär Markus Blume, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Ministerpräsident Markus Söder, in die erste Etage zurück. Mit dabei war auch der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber. Dem Vernehmen nach versuchten die Vertrauten, Seehofer zum Weitermachen zu bewegen.

Der CSU-Vorstand hatte am Sonntag zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als sieben Stunden lang über die Konsequenzen im Asylstreit mit der CDU diskutiert. Dabei hatten Seehofer und seine Parteifreunde sich mehrheitlich gegen die Beschlüsse des EU-Gipfels und für einen nationalen Alleingang ausgesprochen.

Dobrindt erklärte, er werde einen Rücktritt Seehofers nicht hinnehmen. »Das ist eine Entscheidung, die ich so nicht akzeptieren kann«, sagte er nach Angaben von Teilnehmern in der Sitzung des CSU-Vorstands. Dobrindt habe dafür lang anhaltenden Applaus erhalten. Letztlich habe die Uneinsichtigkeit der Kanzlerin die CSU in die jetzige Situation gebracht, argumentierte er. Seehofer ist erst seit rund 100 Tagen in der neuen Großen Koalition Bundesinnenminister, seit 2008 ist er CSU-Vorsitzender.

CDU-Vorstand stellt sich hinter Merkel

Die CDU betonte unmittelbar nach der Nachricht von der Rückzugsankündigung die Unterstützung für den europäischen Kurs von Kanzlerin Merkel in der Asylpolitik. »Einseitige Zurückweisungen wären unserer Ansicht nach das falsche Signal an unsere europäischen Gesprächspartner«, sagte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer am späten Sonntagabend in Berlin, ohne auf die Nachricht vom angekündigten Rückzug Seehofers einzugehen.

Die getroffenen Beschlüsse, Vereinbarungen und Abkommen böten eine gute Grundlage zur wirksamen Reduktion der Sekundärmigration. Die Verhandlungen müssten zügig fortgesetzt werden, sagte Kramp-Karrenbauer. Der CDU-Vorstand habe bei einer Enthaltung beschlossen, dass es Ziel der CDU sei, die Zuwanderung besser zu ordnen, zu steuern und zu begrenzen. Darin sei man sich mit der CSU einig. Kramp-Karrenbauer sagte, es brauche wirksame und menschliche Lösungen mit europäischen Partnern in der Asylpolitik. Gemeinsam mit den EU-Institutionen, abgestimmt mit den europäischen Partnern sowie auf Grundlage des »Masterplans« des Bundesinnenministers und möglicher weiterer Koalitionsbeschlüsse werde die CDU die Arbeit an einem Pakt »zur Steuerung und Ordnung der Zuwanderung und konsequenter Integration« fortsetzen. Agenturen/nd