»00000« - diese Ziffern stehen als Postleitzahl auf den Personalausweisen von Marlies Scheffel und Reinhold Heck. Damit hätte das Paar aus Nordhessen eine der kuriosesten Postleitzahlen in Deutschland. Doch eigentlich ist die Geschichte noch verrückter: Der Gastronom und seine Lebengefährtin haben eigentlich gar keine Postleitzahl.
Der 74-Jährige wohnt in der Waldgaststätte Tillyschanze, einem Ausflugslokal im Reinhardswald neben dem namensgebenden Aussichtsturm hoch über der niedersächsischen Stadt Hann. Münden. Der Wald ist ein Forstgutbezirk, fast so groß wie Frankfurt am Main. Der Förster ist quasi Bürgermeister. Bewohner gibt es jedoch nur zwei: Marlies Scheffel und Reinhold Heck. Wenn das Paar nach Niedersachsen will, sind das nur ein paar Meter. Die Grenze verläuft vor ihrer Haustür: Der Waldgasthof ist in Hessen, der Turm Tillyschanze in Niedersachsen.
Am 1. Juli vor 25 Jahren wurden die neuen Postleitzahlen in der Bundesrepublik eingeführt. Doppelte Zifferfolgen in Ost- und Westdeutschland sollten verschwinden, die Deutsche Einheit auch postalisch vollzogen werden. Nur an die Tillyschanze dachte wohl niemand. Der Grund ist unklar. Eigentlich sollte jeder Forstgutbezirk eine Postleitzahl bekommen, sobald dort jemand wohnt. Doch das zuständige Ministerium habe in disem Fall damals keine Postleitzahl zugewiesen, sagt Postsprecher Thomas Kutsch.
Heck kaufte den Waldgasthof im Jahr 1994. Die Problematik sei ihm zunächst gar nicht klar gewesen. »Ich bin ins Rathaus von Hann. Münden, um mich anzumelden«, erklärt er. Doch dort war man nicht zuständig und schickte ihn zum Forstamt ins hessische Reinhardshagen. Letztlich kam die »00000« ins Spiel. Eine offizielle Postleitzahl war das nie: Die niedrigste Zustellziffernfolge in Deutschland ist laut Post die »01067«. Die »00000« wurde als Notlösung erfunden, weil viele Behördensysteme eine Postleitzahl brauchen.
Seit 2015 hat die Tillyschanze dank der Stadt Hann. Münden zwar eine offizielle Anschrift: Bierweg 1 in 34346 Hann. Münden. Diese gilt aber nur für den Turm, der ja in Niedersachsen liegt. Die Waldgaststätte auf der hessischen Seite dagegen ist bis heute postalisches Niemandsland. Die Bewohner des Reinhardswaldes behalfen sich: »Wir lassen unsere Pakete und Post zur Tochter nach Hann. Münden schicken«, sagt Heck. Dort hat das Paar ein Postfach - bis heute. Der aufgehängte Briefkasten bleibt weitgehend Zierde.
25 Jahre nach Einführung der fünfstelligen Postleitzahlen gibt es auch anderswo noch einige Besonderheiten. So wurden in Frankfurt am Main einzelne Gebäude mit einer Postleitzahl versehen. Der Deutschen Post zufolge sind das etwa der Opernturm (60306), der Messeturm (60308) und »The Squaire« am Flughafen (60600), das gemessen an seiner Vermietungsfläche zu den größten Bürogebäuden Deutschlands zählt. dpa/nd
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1092970.leben-ohne-postleitzahl-ist-moeglich.html