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- Gipfel in Helsinki
Kein Vertrauen, nur Interessen
Lob in Moskau für den Gipfel USA-Russland
Sätze des russischen Präsidenten Wladimir Putin »für die Lehrbücher« stellte der Hauptstadtsender »Echo Moskwy« am Dienstag in seiner Gipfelanalyse den russischen Hörern vor. »Man darf niemals jemandem vertrauen«, hatte der Kremlchef am Vorabend auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem Amtskollegen Donald Trump verkündet. »Woher haben Sie es, dass Präsident Trump mir vertraut und dass ich ihm völlig vertraue? Er sichert die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika. Ich vertrete die Interessen der Russischen Föderation.«
Sensationen seien weitgehend ausgeblieben. Trump habe nicht die Halbinsel Krim als russisch anerkannt oder einen Rückzug der US-Truppen aus der Alten Welt verkündet. Putin seinerseits habe es ausgehalten, dass Trump 20 Minuten nach ihm eingetroffen sei, wobei er sich selbst um eine halbe Stunde verspätet habe. Gelobt wurde allerdings das Versprechen, die Erörterung von Fragen der strategischen Stabilität und der entsprechenden Verträge wieder aufzunehmen. Da dies die Existenz der Menschheit betreffe, so Kommentator Alexander Golz, bestehe Hoffnung, eine weitere Krise der Beziehungen zu vermeiden. Die nämlich sei angesichts des fehlenden gegenseitigen Vertrauens höchst wahrscheinlich.
Andererseits nahm Kommentator Iwan Danilow den Ruf des demokratischen Kongressabgeordneten Steve Cohen nach dem Militär, da der Oberkommandierende Donald Trump »in den Händen des Feindes« sei, gern auf - als Bestätigung des russischen Erfolges beim Gipfel von Helsinki. Das politische US-Establishment sei in Panik, rufe nach einem Militärputsch zur Beseitigung des »Verräters Trump«, fasste er zusammen. Er sah in seinem Beitrag für die Auslandsagentur RIA/Novosti eine positive Einschätzung des Treffens der Präsidenten Trump und Wladimir Putin bestätigt.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte nach den vierstündigen Gesprächen und noch vor der Pressekonferenz beider Hauptakteure in nur drei Worten die offizielle Sicht vorgegeben: »Besser als super.« Schon zwei Worte genügten dem Außenministerium am Smolensker Platz unmittelbar vor der direkten Begegnung der Präsidenten, um einen anderen Triumph auszukosten: »We agree«. Mit dieser lakonischen Zustimmung wurde die Kurzbotschaft Trumps quittiert, dass die Beziehung zu Russland niemals schlechter gewesen sei »dank vieler Jahre amerikanischer Torheit und Dummheit und nun wegen der manipulierten Hexenjagd!« Die Versicherung, dass beide Seiten schuld an dem Niedergang der Beziehungen trügen, wirkte auf der gründlich verspäteten Pressekonferenz dann nur noch als eine Art diplomatisches Feigenblatt.
Denn Putin legte gegenüber Trumps TV-Haussender Fox News nach. Als Beispiele für die Schuld des Westens an den schlechtesten Beziehungen seit dem Kalten Krieg nannte er in einem Interview die NATO-Osterweiterung, den Konflikt um das frühere Jugoslawien in den 1990er Jahren sowie die Entwicklung in der Ukraine. »Wir waren es nicht, die einen Militärputsch in der Ukraine organisiert haben«, zitierte dpa nach der englischen Übersetzung.
Die Übernahme der ukrainischen Halbinsel Krim in die Russische Föderation erklärte Putin nun auch im direkten Gespräch für erledigt: »Für uns, für Russland, ist diese Frage beantwortet. Das ist alles.« Es habe eine Volksabstimmung nach internationalem Recht gegeben. Wenigstens räumte der Kremlchef ein, dass die Auffassung in den USA dazu eine andere sei.
Seinerseits forderte Putin öffentlich die USA zu mehr Engagement für eine Friedenslösung in der Ostukraine auf. »Die USA könnten entschlossener sein und die ukrainische Führung dazu bringen, ihre Arbeit zu machen«, sagte er. Beide hätten bei ihrem einstündigem Vier-Augen-Gespräch über den Minsker Friedensplan gesprochen, heißt es. Bislang wurden immer noch die russischen Versäumnisse bei der Erfüllung mit Sanktionen bestraft, die offenen Verpflichtungen der ukrainischen Seite bei der Erfüllung der Vereinbarungen aber kaum benannt.
Die Sanktionen waren offenbar kein Thema, wohl aber die Erdgasleitung Nord Stream 2, die Washington weiterhin als Konkurrenzprojekt für eigene Verkaufsambitionen betrachtet. Mit Blick auf Westeuropa, das die Ukraine im Geschäft halten will, zeigt sich Russland großzügig. Man sei »bereit, den Transit beizubehalten«, sagte Putin. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko beeilte sich zu versichern, die Ukraine habe für die USA und die NATO weiterhin vorrangige Bedeutung. In der »Iswestija« sah das der Vizedirektor des GUS-Institute Wladimir Scharichin etwas anders: »Poroschenko nimmt öfter den Wunsch für Wirklichkeit.«
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