Im Bundestag begann am Mittwoch die Debatte zur künftigen Regelung darüber, wie sich Bürger für oder gegen eine Organspende aussprechen können. Da weitreichende ethische Fragen berührt werden, ist der Fraktionszwang aufgehoben. Die Diskussion am Mittwoch diente der ersten Orientierung über die verschiedenen Vorschlägen und Argumente.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verteidigte in im Parlament seinen Vorschlag einer Widerspruchlösung. Demnach wäre jeder Mensch ein potenzieller Organspender, der oder dessen Angehörige nicht ausdrücklich widersprechen. Wenn eine solche Regelung eingeführt werde, sollten alle Bürger angeschrieben werden, um ihnen Informationen zur Organspende zukommen zu lassen, sagte Spahn. Er interpretierte die zuletzt wieder leicht gestiegene Zahl von Organspenden als Auswirkung der in den vergangenen Wochen erneut begonnenen Debatte zu dem Thema.
Befürworter der Widerspruchslösung wie Karl Lauterbauch (SPD) verwiesen auf das Leid der auf ein Spenderorgan wartenden Patienten. Der Gesundheitspolitiker berichtete über berufliche Erfahrungen mit Dialysepatienten, von denen jeder fünfte auf einer Warteliste für Spendernieren während der Wartezeit sterbe. Für viele andere dieser Patienten steige bei langjähriger Dialyse das Demenzrisiko, ihre Gefäße würden geschädigt.
Ein Gegenentwurf zu Spahns Vorstoß sieht vor, dass die Bürger beim Behördengang etwa zur Beantragung eines Personalausweises auf die Organspende angesprochen werden und dann, bis zur Abholung des Dokuments, eine Entscheidung treffen können. Diesem Modell einer »verbindlich wiederkehrenden Abfrage« stimmten etwa die Grünen-Abgeordnete Annalena Baerbock und auch Katja Kipping von der LINKEN zu. Diese Lösung macht die jetzt bestehende Entscheidungsregelung etwas verpflichtender, da bei entsprechenden Behördenkontakten wiederholt nachgefragt werden soll. In diesem Zusammenhang sprachen sich mehrere Parlamentarier für die Einrichtung eines flächendeckenden Organspenderegisters aus.
Abgeordnete wie Karin Maag (CDU) und Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) sahen in einer vom Staat erzwungenen Äußerung - wie bei der Widerspruchslösung - eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes und des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit.
Redner aus verschiedenen Fraktionen vertraten die Auffassung, dass die Spendenbereitschaft nicht zu niedrig sei, sondern die Bedingungen in den Krankenhäusern bei der Organisation von Spenden verbessert werden müssten. So verwies Kirsten Kappert-Gonther von Bündnis 90/Die Grünen auf das Erfolgsrezept der spanischen Organspendenorganisation, und nannte dafür drei Kriterien: Organisation, Verankerung des Themas in der medizinischen und pflegerischen Ausbildung sowie das Vertrauen der Bevölkerung. In Spanien gibt es eine Zustimmungslösung, die auf Freiwilligkeit setzt. Die Grünen-Politikerin wies auch darauf hin, dass in Frankreich und Lettland nach Einführung der Widerspruchslösung die Zustimmung zur Organspende sank.