Derart heftig hatte der erste Nordseesturm des neuen Jahres dem fast 400 Meter langen Frachter »Zoe« am Dienstag zugesetzt, dass er einen Teil seiner Fracht verlor. Rund 30 Container seien auf dem Weg vom belgischen Antwerpen nach Bremerhaven über Bord gegangen, hieß es anfangs. Doch dann musste diese Zahl nach oben korrigiert werden: 270 der großen Transportboxen waren von dem Schiff, das als größtes seiner Art in Europa bis zu 19 000 Standardcontainer aufnehmen kann, in die brodelnde See gestürzt.
Das Havariekommando in Cuxhaven, als Einrichtung des Bundes und der deutschen Küstenländer für Schiffsunfälle in Nord- und Ostsee zuständig, sieht sich einer doppelt bedrohlichen Lage gegenüber. Zum einen können im Wasser treibende Container zumindest kleinere Schiffe beschädigen, zum anderen ist nicht auszuschließen, dass ein mit gefährlicher Substanz beladener Behälter irgendwo an einer Küste landet.
Mindestens ein Container, so wird vermeldet, sei mit Dibenzoylperoxid beladen. Die Chemikalie, sie wird unter anderem bei der Herstellung von Kunststoffprodukten eingesetzt, ist laut ihrer Kennzeichnung gleich mehrfach gefährlich. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Substanz explodieren, sie ist leicht entzündlich, verursacht beim Menschen schwere Augenreizungen, kann allergische Hautreaktionen hervorrufen und ist schädlich für die Umwelt, besonders für Gewässer.
Über das Informationssystem »KatWarn« hat der Landkreis Leer die Bevölkerung und Besucher der ostfriesischen Insel Borkum wegen möglicher Giftgefahr dazu aufgerufen, eventuell von der »Zoe« stammende Container zu meiden und vielleicht aus ihnen freigesetzte Stoffe nicht zu berühren. Wer einen solchen Behälter entdeckt, sollte umgehend die Rettungsleitstelle anrufen, appelliert die Behörde in ihrer Bekanntmachung.
Mittlerweile steuert das Havariekommando eine groß angelegte Suchaktion nach den verlorenen Containern. Ein Ölüberwachungsflugzeug der Bundeswehr ist dabei im Einsatz, ebenso ein Hubschrauber der Bundespolizei sowie mehrere mit Sonar ausgestattete Spezialschiffe der Reederei des Schiffes, des Genfer Unternehmens Mediterranean Shipping Company (MSC). Bei allen Aktionen arbeiten die deutschen Havariespezialisten eng mit der Küstenwache der Niederlande zusammen. Dort sind inzwischen an den Inseln Vlieland, Terschelling und Ameland 21 Container angespült worden.
An jenen Küsten wurden große Mengen Spielzeug, Glühbirnen, Kleidung und Möbelstücke gefunden, heißt es aus dem Nachbarland. Es könnte sich um Ladung aus den Containern handeln, die sich an Land geöffnet haben, so wird vermutet. Unter anderem haben Besucher der Strände Schuhe, Fernsehgeräte und Puppen aus der verlorenen Fracht mitgenommen. Das ist in den Niederlanden, sofern es sich um angespültes Strandgut handelt, nicht mit Strafe bedroht. Nur wer einen Container öffnet, um etwas daraus mitzunehmen, begeht einen Rechtsbruch.
Die Reederei des Schiffes ist von der zuständigen amtlichen Verkehrszentrale aufgefordert worden, zusammen mit dem Havariekommando für die Container einen Bergungsplan zu erarbeiten. Inzwischen hat die »Zoe« an ihrem Zielort in Bremerhaven festgemacht. Aufgabe der Wasserschutzpolizei im niedersächsischen Wilhelmshaven ist es nun, die Ursache des Container-Verlustes zu ermitteln.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1109244.frachterunglueck-puppen-und-gift-ueber-bord.html