Ihre Kunst wurde lange Zeit nicht anerkannt, weder inhaltlich noch finanziell. »Bildhauerei von Frauen findet bis auf wenige Ausnahmen auf dem Kunstmarkt nicht statt«, sagt Marc Gundel, Museumschef der Städtischen Museen in Heilbronn und Mitkurator der Ausstellung »Bildhauerinnen. Von Kollwitz bis Genzken«. Die Schau mit rund 100 Werken von 50 deutschsprachigen Künstlerinnen aus drei Generationen ist in der Kunsthalle Vogelmann zu sehen, im Anschluss daran in Bremen.
Sie schufen Bronze- und Marmorbüsten, Porträts oder Selbstbildnisse, Holzfiguren und Majolikabilder, doch der Markt interessierte sich lange Zeit fast überhaupt nicht für weibliche Bildhauerei. »Viele unserer Ausstellungsstücke sind teilweise nur mit wenigen Tausend Euro versichert, das ist im Vergleich zu den Werken von männlichen Kollegen läppisch«, sagt Gundel.
Deshalb habe man zusammen mit dem Gerhard-Marcks-Haus in Bremen über drei Jahre hinweg eine Übersichtsausstellung organisiert, um erstmals in dieser Form einen Überblick über die Entwicklung der weiblichen Bildhauerei zu geben. Von den Pionierinnen Mitte des 19. Jahrhunderts über die Wegbereiterinnen der klassischen Moderne bis hin zu den arrivierten Zeitgenossinnen, teilt die Kuratorin Rita Täuber mit.
Wer die Kunsthalle Vogelmann betritt, schaut zuallererst auf ein Bismarck-Porträt von Elisabet Ney (1833-1907). Sie hatte eine Ausnahmestellung inne und gilt bis heute als eine gesellschaftlich anerkannte Bildhauerin der ersten Stunde. Gleich nebenan stehen vier Bronzewerke der in Deutschland wohl bekanntesten Künstlerin Käthe Kollwitz (1867- 1945). Daneben posieren Marmorbüsten von Clara Rilke-Westhoff (1878-1954). Alle drei Frauen ebneten als professionelle Pionierinnen den Weg der in Paris, Berlin und München ausgebildeten nachfolgenden Generation von Bildhauerinnen.
Zu Beginn der weiblichen Bildhauerei waren Frauen noch nicht in den Akademien zugelassen, sie hatten kein Wahlrecht und wurden auch in der Kunst nur zweitklassig behandelt. Aufgrund der körperlichen und technischen Herausforderungen galt die Bildhauerei als vermeintlich »unweiblichste aller Künste«, sagte Rita Täuber. Wer durch die Ausstellung schlendert, wird eines Besseren belehrt - ein krasses Vorurteil wird widerlegt.
»Viele Künstlerinnen wurden schlichtweg verkannt«, ergänzt Täuber. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzten sich die Bildhauerinnen Renée Sintenis (1888-1965), Marg Moll (1884-1977), Emy Roeder (1890-1971) oder Milly Steger (1891-1948) »über vorherrschende Zwänge und geschlechtsideologische Tabus hinweg«, betont die Kuratorin. Und sie ernteten so bei Publikum wie Kunstkritik Wertschätzung.
Nach 1945 entwickeln die Bildhauerinnen aus einem neuen Selbstverständnis heraus eigene Positionen zur Frage von Körper und Raum. Dies dokumentieren Werke etwa von Priska von Martin (1912- 1982), Ursula Sax (geboren 1935) und Brigitte Matschinsky-Denninghoff (1923-2011). Für den Wandel der dreidimensionalen Form Ende der 1960er Jahre stehen in ihrer Folge dann Künstlerinnen wie Rebecca Horn (geboren 1940) oder Isa Genzken (geboren 1948).
Das Ausstellungsprojekt basiert auf wissenschaftlichen Ergebnissen jahrzehntelanger kunsthistorischer Forschung, erklärt Rita Täuber. Ergänzt und bereichert werden diese durch neue Erkenntnisse zur Entwicklung der Bildhauerei der Moderne in Deutschland sowie exemplarische Aspekte der Künstlerinnensozialgeschichte.
Seit 2015 erarbeiten drei Häuser das Ausstellungsprojekt mit jeweils eigenen Schwerpunkten. Die Museen Böttcherstraße in Bremen haben aus ihrer Sammlung Werke der früh verstorbenen Paula Modersohn-Becker (1876-1907) zusammengestellt. Das Gerhard-Marcks-Haus in Bremen verfügt über den Nachlass der Bildhauerin Hanna Koschinsky (1884-1939), und die Heilbronner Museen bringen Werke aus ihren Sammlungsbeständen ein, etwa einige Arbeiten von Ursula Sax.
»Bildhauerinnen. Von Kollwitz bis Genzken«, bis 7. April, Kunsthalle Vogelmann, Allee 28, Heilbronn.