nd-aktuell.de / 15.04.2019 / Politik / Seite 8

Rechtswidriges Verhalten?

Die Staatsanwaltschaft von Locri hat Anklage gegen den suspendierten Bürgermeister von Riace, Domenico »Mimmo« Lucano, erhoben.

Wolf H. Wagner

Die Staatsanwaltschaft von Locri hat Anklage gegen den suspendierten Bürgermeister von Riace, Domenico »Mimmo« Lucano, erhoben. Ihm und weiteren 26 Funktionären des Ortes wird vorgeworfen, mit der Aufnahme nordafrikanischer Bootsflüchtlinge Amtsmissbrauch und Begünstigung illegaler Einwanderung betrieben zu haben. Erst am 3. April hatte das Kassationsgericht in Rom alle Vorwürfe gegen den Bürgermeister des kalabresischen Ortes verworfen: Es gebe keine Anzeichen dafür, dass Lucano sich rechtswidrig verhalten hätte, so die oberste italienische Rechtsinstanz.

Dass dies die Staatsanwaltschaft von Locri anders sieht und nun erneut Klage erhebt, lässt an politisches Kalkül denken. An Mimmo Lucano soll ein Exempel statuiert werden, damit das »Riace-Modell« keine Schule macht.

Lucano war im Jahre 2004 zum Bürgermeister der kleinen Gemeinde gewählt worden. Zum damaligen Zeitpunkt schien der Ort vom Niedergang bedroht. Aufgrund von Überalterung und Landflucht war die Bevölkerung von 3000 auf nur noch 800 Einwohner geschrumpft. Lucano erklärte, eine Hoffnung für die Gemeinde könnte der Zuzug von Migranten sein. Gegenwärtig leben wieder 2400 Menschen im Ort, darunter viele Flüchtlinge. Der Gemeinderat stellte ihnen kostenlose Unterkunft zur Verfügung, zuzüglich erhalten die »Neubürger« ein monatliches Taschengeld von 250 Euro. Dafür arbeiten sie in den umliegenden Olivenhainen sowie den kommunalen Einrichtungen Riaces, wie der Stadtreinigung. Lucano nannte sein Projekt zur Wiederbelebung des Küstenortes »Citta del Futuro« - Stadt der Zukunft. Zwischenzeitlich haben auch etliche Flüchtlinge in die Gemeinde eingeheiratet - von der Justiz wird dies nun als Anbahnung von Scheinehen bewertet.

Im Dezember 2017 erhielt Domenico Lucano den mit 10 000 Euro dotierten Friedenspreis der Stadt Dresden. Die US-amerikanische Zeitschrift »Fortune« zählte ihn zu den 50 wichtigsten Persönlichkeiten der Welt.