Das Bild von Ostdeutschland den politischen Vorgaben anzupassen, ist regelmäßige Übung der Politik. So schwärmt die Bundesregierung in den Berichten zum Stand der deutschen Einheit seit Jahren von den Aufholleistungen des Ostens, obwohl sie jedes Mal gleichzeitig einräumen muss, dass Daten und Fakten eine andere Sprache sprechen. Ein positives Bild liegt offenkundig auch im Sinne des Bundesverbands der Industrie BDI.
Der lobt den rasanten Fortschritt von Einkommen und Produktivität im Osten, obwohl beides weit hinter dem Westen zurückbleibt. Als ob die gesellschaftliche Brisanz nicht auf der Hand läge, die die anhaltenden Unterschiede der Lebensverhältnisse im Osten in sich bergen. Sie sind zuverlässige Quelle für die anhaltende Frustration, die sich seit 30 Jahren immer wieder erneuert - wofür sogar zweifelhafte charakterliche Anlagen der Ostdeutschen lieber bemüht werden als die Fakten.
Doch ein Wunder ist das freudige Urteil der Industrie nicht. Sie war ab 1990 Nutznießer des Niedergangs der ostdeutschen Wirtschaft, deren Märkte und - wo vorhanden - Wettbewerbsfähigkeit mit der Wirtschafts- und Währungsunion kalt geopfert wurden. Eine Badekur für die Wirtschaft West. So gesehen, ist die Praxis des Schönfärbens den Älteren im Osten zwar als gängige Praxis in der DDR noch in Erinnerung, relativiert aber gerade deshalb auch die eifrigen Urteile der politischen Klasse über den »Unrechtsstaat«.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1119188.ostdeutschland-schoen-gefaerbt.html