Wiesbaden. Der Demokratieforscher Benno Hafeneger befürchtet eine steigende Zahl rechtsextremistischer Anschläge in Deutschland. »Wir haben ein breites Phänomen von Alltagsrassismus«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Wiesbaden. Und es gebe mit der AfD eine Stimme in den Parlamenten, die diese Themen befeuere. »Das ist dann der Nährboden für Fremdenfeindlichkeit, der nicht mehr nur den rechten Rand erreicht, sondern hineinragt in weitAe Teile der Gesellschaft.«
»Am Ende des Radikalisierungsprozesses haben wir dann Leute, die bereit sind, nicht nur zu reden und zu denken, sondern auch Gewalttaten bis hin zum Mord zu begehen«, sagte er mit Blick auf die Bluttat im hessischen Wächtersbach mit einem schwer verletzten Eritreer und den Mord an dem Kasseler CDU-Politiker Walter Lübcke. »Das ist für die Republik eine hochdramatische Veränderung.« Es gebe im Moment keinen gesellschaftlichen Bereich, der von dem Phänomen Alltagsrassismus verschont bleibe.
Anfang Juni war im Landkreis Kassel der CDU-Politiker Walter Lübcke auf seinem Grundstück erschossen worden. Der Generalbundesanwalt geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Der 45-jährige Stephan E. hatte die Tat gestanden und dann sein Geständnis widerrufen. Am vergangenen Montag wurde in Wächtersbach im Main-Kinzig-Kreis ein Eritreer durch einen Bauchschuss schwer verletzt. Der Schütze, ein 55 Jahre alter Deutscher, erschoss sich selbst. Die Ermittler gehen von einem rassistischen Motiv aus.
Auch im Bundesinnenministerium wächst die Sorge. Im Kampf gegen Rechtsextremismus steige für Politiker und Prominente das Risiko, von ihren »politischen Gegnern« ausgeforscht und im Internet angeprangert zu werden. »Zunehmend werden auch Personen des öffentlichen Lebens, Amtspersonen, Bürgerinitiativen und Medieneinrichtungen, aber auch Privatpersonen, die sich kritisch mit dem Rechtsextremismus sowie den handelnden Personen auseinandersetzen, Gegenstand dieses Vorgehens«, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Hintergrund sind von Rechtsextremen angelegte Listen ihrer vermeintlichen politischen Gegner. Ziel sei es dabei vor allem, Angst zu schüren und Verunsicherung zu verbreiten. Im Bereich der politisch motivierten Gewalt sei die Veröffentlichung von Namen angeblicher Gegner gängige Praxis, sagte der Sprecher.
Die Linkspartei hatte gefordert, alle Menschen zu informieren, deren Namen auf einer Liste der sogenannten »Prepper«-Gruppe »Nordkreuz« gefunden wurden. Bislang wissen nur einige davon Bescheid. »Prepper« sind Menschen, die sich auf Katastrophen vorbereiten und sich dafür teilweise Waffen beschaffen.
Bei einer Anti-Terror-Razzia in Mecklenburg-Vorpommern war 2017 eine Liste mit etwa 25.000 Namen gefunden worden. Laut Sicherheitsbehörden wurden 29 Menschen als Zeugen befragt, die auf der Liste stehen. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat aufgenommen.
Im Gegensatz zu anderen Listen von »politischen Gegnern« seien in diesem Fall »gezielt und kontinuierlich Daten zu einzelnen Personen, Institutionen oder Organisationen gesammelt« worden, hieß es. Eine Gefährdung der von »Nordkreuz« aufgezählten Menschen ist nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes aber »aktuell auszuschließen«. Die Behörde habe ihre Einschätzungen an die Polizei in den Ländern übermittelt. Diese solle selbst entscheiden, ob sie die Betroffenen informieren und im Einzelfall womöglich auch Schutzmaßnahmen treffen. Agenturen/nd